Volltext: Die geschichtliche Entwickelung des Bewegungsbegriffes und ihr voraussichtliches Endergebniss (3)

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Ludwig Lange. 
zum umgebenden Körper als zu dem umfassten gerech 
net, vielmehr einzig durch ihre »Größe und Figur« be 
stimmt wird. Aehnliche Beschränkungen der Aristotelischen Lehre 
fanden sich andeutungsweise bereits in der Scholastik (s. o.). 
Man sieht, dass Descartes sich große Mühe gibt, die Bezug¬ 
nahme auf einen immateriellen Raum nach Möglichkeit zu ver¬ 
meiden. Es gelingt ihm aber nicht. Weshalb darf die Grenzfläche 
welche den Ort nach außen bestimmt, weder zum umgebenden, noch 
zum umfassten Körper gerechnet werden? Weil man Beispiels halber 
von einem Schiffe , welches der Strom thalabwärts und mit derselben 
Geschwindigkeit der Wind thalaufwärts treibt, nicht sagt, dass es 
seinen Ort verändert, wiewohl das umgebende Wasser und die um¬ 
gebende Luft beide nicht unverändert dieselben bleiben. Es ist, wie 
Descartes wohl selbst gefühlt hat, durchaus unzureichend, die un¬ 
veränderliche Größe und Figur des äußeren Ortes, d. h. der trennen¬ 
den Fläche, zu betonen. Denn in dem Beispiele vom Schiffe kommt 
thatsächlich hierzu noch die Bestimmung, dass diese Fläche ihre 
Lage zu den Flussufern beibehalten soll. Freilich hätte 
Descartes die hierin liegende Bezugnahme auf den nicht materiell 
gegebenen Anschauungsraum nicht hervorheben dürfen, ohne 
sofort seine ganze materialistische Raumtheorie in Frage zu stellen. 
Der umgebende Körper hat thatsächlich keine Bedeutung, denn der 
Ort des umfassten Körpers bezieht sich in dem Beispiele vom Schiffe 
nicht auf ihn, sondern auf einen entfernten Körper, auf die Flussufer. 
In der That setzt nun auch Descartes selbst auseinander, dass der 
äußere Ort eines Körpers sich auf jeden beliebigen anderen Kör¬ 
per beziehen könne, welcher »wie unbeweglich betrachtet wird«. Es 
könne deshalb ein Ding gleichzeitig seinen Ort verändern 
und nicht verändern1) je nach den Körpern, worauf es bezogen 
wird (II. 13). 
Der Bewegungsbegriff Descartes’ ist nun ein zwiespäl¬ 
tiger, er umfasst einen »motus, ut vulgo sumitur« und einen »motus 
ex rei veritate consideratus«. Obwohl darnach der erstere motus nicht 
»ex rei veritate« verstanden zu sein scheint, bedient sich Descartes 
seiner dennoch auch in wissenschaftlichen Fragen und verwirft ihn 
1) Von Bewegung und Ruhe ist hier noch nicht die Rede.
	        
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