Volltext: Die geschichtliche Entwickelung des Bewegungsbegriffes und ihr voraussichtliches Endergebniss (3)

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Ludwig Lange. 
Copernicaner in ihm die geocentrische Bezugnahme ganz übersehen 
haben, womit er hei seinen Versuchen operirte. Sobald sie ihm aber 
zu klarerem Bewusstsein gelangt war, durfte er sie nicht länger dulden 
Er musste, wenn er anders streng sein wollte, die zweckmäßige Be¬ 
wegung des unbeeinflussten Körpers auf den Anschauungsraum der 
denkenden und zweckthätigen Natur beziehen, wie er es denn 
auch gethan hat. 
Dass jede wahrnehmbare Bewegung eine relative sei, hat 
Galilei an zahlreichen Stellen seiner Dialoge und weit deutlicher 
zum Ausdrucke gebracht, als irgend einer seiner Vorgänger (z. B. 
129. 190 f. 271. 407). So legt er Salviati die Worte in den Mund: 
»Die Bewegung verhält sich (è) insofern wie Bewegung und wirkt wie 
Bewegung, als sie auf Dinge Beziehung hat, welche ihrer entbehren; 
aber zwischen solchen Dingen, welche in gleicherweise sämmtlich 
daran theilnehmen, macht sie Nichts aus und verhält sich (è), wie 
wenn sie nicht vorhanden wäre« (129). Dass übrigens Galilei die 
sinnliche Relativität für ein wesentliches Element nicht der Bewe¬ 
gung an sich, sondern nur der erscheinenden Bewegung gehal¬ 
ten wissen will, dürfte nach dem Obigenl) außer Frage stehen und 
wird auch weder durch die eben angeführte Stelle noch durch irgend 
eine ihrer Parallelstellen in Frage gesetzt. Zweifellos aber ist die — 
ahnungsweise von frühester Zeit an in uns wohnende — Erkenntniss 
der Relativität aller wahrnehmbaren Bewegung erst durch Gali¬ 
leis Dialoge der gelehrten Welt zu klarerem und allgemeinerem Be¬ 
wusstsein gelangt.2) 
Theils eben darum, theils aus anderen Gründen hat Galilei mit 
seinen Bemühungen in der Entwickelungsgeschichte des Bewegungs¬ 
begriffes geradezu eine neue Epoche begründet. Vor allem aber hat er 
auf die nachkommende Zeit den größten Einfluss geübt, indem er den 
Grund gelegt hat zu einer dynamischen Färbung des Begriffes 
der wirklichen Bewegung. Galilei beurtheilt die Bewegungen nach 
einem Schema, welches er seinen Lesern nicht selber gibt, welches 
wir vielmehr nur aus seinem Sprachgebrauche erschließen konnten. 
Newton erhebt dieses Schema zu einem von Bewusstsein getra 
1) S. o. S. 363. i 
2) Vgl. E.F. A p eit, Die Epochen der Geschichte der Menschheit. 1851. 
S. 262 ff.
	        
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