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Ludwig Lange.
Wahrheit. Yon ihrer Betrachtung müssen wir ausgehen und auch
beständig auf sie Rücksicht nehmen, wenn wir anders zur Erkenntnis
des Wahren gelangen wollen ; wir werden aber hiervon immer weit
entfernt bleiben, wenn wir die Spiegelbilder mit den gespiegelten
Dingen selbst verwechseln. Dies dürfte der Kern der Galilei’schen
Methode sein.
Fassen wir das Schema der Galilei’schen Bewegungsurtheile in
wenige Worte zusammen, so ergibt sich diese Formel : Bewegung im
allgemeinen ist Ortsveränderung in einem Anschauungsraume. Die
wirklichen Bewegungen beziehen sich auf den Anschauungsraum
der zweckthätig denkenden Natur ; die uns gegebenen Bewegungs¬
phänomene auf unseren Anschauungsraum, den wir, um ihn zu
fixiren, an irgend einen gegebenen Körper anzuheften pflegen.
Yon der größten Wichtigkeit ist es, sich die Stellung zu vergegen¬
wärtigen, worin Galileis eigene Auffassung seines Trägheitsgesetzes
zu seinem Schema der Bewegungsurtheile steht. Wir brauchen hierzu
nur die »Dialoge« zu berücksichtigen und nicht die »Discorsi« von 1638,
worin er das Gesetz nur auf geocentrische Bewegungen anwendet.
Aus den »Dialogen« ist auf das unzweideutigste zu sehen, dass er sein
Gesetz, als ein Gesetz über die wirklichen Bewegungen der Körper,
in aller Strenge ebenfalls auf den Anschauungsraum der Natur bezieht
und es für geocentrische Bewegungen nur annäherungsweise gelten
lässt. In der That ist aus seinen Betrachtungen über Projectilbahnen
(166—202) mit voller Sicherheit zu schließen, dass er das genaue Be¬
zugssystem seines Gesetzes durchaus mit dem Bezugssysteme des
Copernicus identificirt. Diese scharfsinnigen Ausführungen haben
den gemeinsamen Zweck, die aus ballistischen Erfahrungen entnom¬
menen Gegengründe der Anticopernicaner zu entkräften. Die letzteren
hatten, wie bekannt, u. a. behauptet, bei bewegter Erde müsste gegen
die Erfahrung ein süd-nördlich abgeschleudertes Geschoss west¬
lich vom Ziel auftreffen, weil während seiner Flugzeit der Erdboden
sich unter ihm von West gegen Ost hinwegdrehe. Galilei weist
nun nicht allein nach, dass, vorausgesetzt die Richtigkeit der letzteren
Annahme, die Abweichung viel zu gering sei, um constatirt zu wer¬
den; er führt auch aufs klarste aus, dass das Geschütz so gut wie das
Ziel an der Bewegung der Erde theilnimmt und dass darum die Kugel
vom Geschütz aus einen west-östlichen »impetus impressus« empfängt)