Volltext: Die geschichtliche Entwickelung des Bewegungsbegriffes und ihr voraussichtliches Endergebniss (3)

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Ludwig Lange. 
umfassendes Object nothwendig auch Bezugsobject, um so mehr als 
sich durch diese Relation Alles am einfachsten, d. h. »naturgemäßesten« 
darstellte. Bei consequenterer Anwendung seiner Principien hätte er 
sich vielleicht überzeugt, dass es nicht allein falsch sei, der Fixstern- 
sphäre eine Bewegung zuzuschreiben, sondern auch, ihr die Ruhe 
zuzuschreiben. Denn Ruhe ist die andauernde Gegenwart am selben 
Orte; was also keinen Ort hat, wie nach Copernicus selber die Fix¬ 
sternsphäre, das kann eben so wenig ruhen als bewegt sein. Dies blieb 
ihm aber wiederum verborgen, weil er das von geocentrischen Erfah¬ 
rungen entlehnte Vorurtheil hatte, jedes Ding müsse an sich entweder 
bewegt sein oder ruhen, ohne, wie wir dies thun, zu fragen, in Bezug 
worauf. 
Für das Verständniss der nachcopemicanischen Entwickelung des 
Bewegungsbegriffes ist es wichtig zu bemerken, dass Copernicus in 
der Anwendung des Simplicitätsprincipes auf das Problem der Welt¬ 
ordnung selber noch nicht die erreichbare Simplicität angewendet 
hat. Seine Nachfolger seit Galilei verlegten den Punkt, wo das 
Simplicitätsprincip gewissermaßen seine Kraft ausüben sollte, weiter 
zurück in die letzten Grundsätze der neu entstandenen Dynamik, in¬ 
dem sie der Anschauung folgten, dass eben diese Grundsätze die denk¬ 
bar größte Einfachheit bekunden müssten. Nachdem sie in diesem 
Sinne das Trägheitsgesetz aufgestellt hatten, konnten sie dann, 
vorausgesetzt die Richtigkeit der gemachten Grundan¬ 
nahme, mit logischer Strenge die Wahrheit, und zwar die aus¬ 
schließliche Wahrheit des Copernicanischen Systèmes beweisen. Allein 
diesen großen und schwierigen Schritt zu thun, war man naturgemäß 
auch erst befähigt, nachdem man den Nutzen des Simplicitätsprin¬ 
cipes bereits an dem evidenten Beispiele des Copernicus selber 
schätzen gelernt hatte. Dem entspricht es auch vollständig, dass sich 
die Erkenntniss des Beharrungsgesetzes wesentlich aus dem Kampfe 
der Weltsysteme heraus entwickelt hat. ') 
Es bleibt mir nun noch übrig, mit einigen Worten auf den In¬ 
halt der ersten unechten Vorrede der »Libri de revolutionibus« ein¬ 
zugehen. Diese Vorrede rührt von dem Nürnberger Gelehrten 
1) Vgl. Dr. E. Wohlwill, Die Entdeckung des Beharrungsgesetzes, Zeit¬ 
schrift für Völkerpsychologie Bd. XIV. XV.
	        
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