Volltext: Die geschichtliche Entwickelung des Bewegungsbegriffes und ihr voraussichtliches Endergebniss (3)

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Ludwig Lange. 
»die Beweglichkeit der Kugel sei, sich im Kreise zu drehen, weil sie 
so durch ihre Thätigkeit seihst ihre Form zum Ausdrucke bringe« 
(Cap. IV. p. 18, cf. Cap. V. VIII). Solche Sonderbarkeiten waren nur 
so lange möglich, als man auf ausdrückliche Definitionen und strenge 
Anwendungen der Begriffe noch nicht bedacht war. Ehen deshalb 
lässt sich ein scharf umrissener Bewegungshegriff weder hei 
Copernicus noch bei seinen nächsten Anhängern feststellen; und 
es kann sich hier nur erst darum handeln, die Elemente hervorzu¬ 
heben , aus denen sich später ein Ganzes zusammensetzt, das einer 
einigermaßen consequenten Anwendung iahig ist. 
Eine Erörterung darüber, wodurch sich die wahren Bewegungen 
von den scheinbaren unterscheiden, treffen7wir bei Copernicus 
überhaupt nicht an. Nur dass sie sich unterscheiden und nicht ver¬ 
wechselt werden dürfen, wird uns gesagt: »Denn jede Ortsverände¬ 
rung, welche wahrgenommen wird, findet statt entweder wegen der 
Bewegung des betrachteten Dinges oder wegen der Bewegung des Zu¬ 
schauers oder doch wegen einer ungleichen Ortsveränderung beider. 
Denn zwischen Dingen, welche in der gleichen Weise zu demselben (Be¬ 
zugsobjecte) bewegt sind, ist die Bewegung unwahmehmbar, nämlich 
zwischen der betrachteten Sache und demjenigen, welcher sie betrach¬ 
tet« (Cap. V. p. 20). Man könnte fast glauben, dass bereits hier unter der 
Bewegung etwas wesentlich Transcendentes verstanden sei, wennnur 
der Zusatz »zu demselben« nicht wäre. Wahrscheinlich hat Coperni¬ 
cus selber bei dieser principiellen Erörterung den mit unklarer Re¬ 
lation behafteten geocentrischen Bewegungsbegriff vor Augen gehabt, 
auf welchen im gewöhnlichen Leben alle »wirklichen« Bewegungen be¬ 
rechnet sind. Diese Inconsequenz darf ihm nicht allzu hoch angerechnet 
werden. Ist es doch streng genommen nicht minder incorrect, wenn '»vir 
zur Erläuterung des Foucault’schen Pendelversuchs das bekannte Ex¬ 
periment mit der Centrifugalmaschine anstellen, durch welches ge¬ 
zeigt werden soll, dass das Pendel unabhängig vom Aufhängungs¬ 
punkte in einer unveränderlichen Ebene hin- und herschwingt ; denn 
hierbei ist doch gerade die Erde Bezugsobject, welche es eben des 
Pendelversuches wegen nicht sein soll. Die ganzeUebertragung 
vom irdischen Experimente auf den kosmischen Fall hat hier doch für 
eine aufgeklärte Betrachtung nur soweit Sinn, als man bereits über 
die Bewegung der Erde Etwas weiß: nämlich, dass sie im Ver
	        
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