Volltext: Die geschichtliche Entwickelung des Bewegungsbegriffes und ihr voraussichtliches Endergebniss (3)

338 
Ludwig Lange. 
dingt auch der strenge Hinweis auf solche Incongruenzen. Ein ander 
mal finden wir gar keine Definition des Begriffes vor, sind vielmehr 
darauf angewiesen, aus den zahlreichen Anwendungen des fraglichen 
Wortes eine Definition zu reconstruiren. Jede Definition dieser Art 
wird an dem Mangel leiden, dass gewisse Anwendungen des erklärten 
Wortes mit ihr nicht vereinbar sind, aus dem einfachen Grunde, weil 
Verschiedenartiges mit einem Worte bezeichnet wurde. In solchen 
Fällen kann es sich eben nie um die Construction einer den Anwen¬ 
dungen absolut congruenten, sondern nur einer ihnen möglichst con- 
gruenten Definition handeln. Die Abweichungen der Anwendungen 
von der construirten Definition sind aber auch dann noch so vollstän¬ 
dig als möglich anzugehen. In einem dritten Falle ist es überhaupt 
unmöglich oder doch zwecklos, eine Definition zu reconstruiren : wenn 
nämlich die Anwendungen des fraglichen Wortes nach allen Seiten 
auseinandergehen. Alsdann wird man sich darauf beschränken müssen, 
die wichtigsten Formen unter diesen Anwendungen hervorzuheben 
und so gewissermaßen die widerstreitenden Elemente zu bezeichnen, 
aus denen durch Abschleifung der Gegensätze einmal ein deftnirbarer 
Begriff werden kann. 
Wir haben hierbei stets zu bedenken, dass ein sich noch ent¬ 
wickelnder Begriff seiner Natur nach von inneren Widersprüchen nicht 
frei ist: wäre er es, so fehlte ja jedes Motiv zu weiterer Entwickelung. 
Wollte man nun erst das Endresultat der Entwickelung als einen 
wirklichen »Begriff« gelten lassen, deshalb weil vorher eine congruente 
Definition unmöglich ist, so würde man sich damit ganz ohne Noth 
die Möglichkeit abschneiden, von einer Entwickelungsgeschichte der 
Begriffe zu reden. 
Fragen wir uns, wie es zugeht, dass selbst in der Wissenschaft 
nicht selten durchaus verschiedenartige Dinge mit demselben Worte 
bezeichnet werden, so haben wir insbesondere auf einen Umstand 
unser Augenmerk zu richten. Die Anwendung des fraglichen Wortes 
auf einen gegebenen Fall ist ein Act, welcher sich zumeist in unserm 
unbewussten psychischen Organismus vollzieht. Dies gilt nicht 
sowohl von rein wissenschaftlichen Terminis, als vielmehr von 
denjenigen Worten, welche, wie das Wort »Bewegung«, im gewöhn- 
1) W. Wundt, Logik, Bd. I. S. 86.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.