Volltext: Die geschichtliche Entwickelung des Bewegungsbegriffes und ihr voraussichtliches Endergebniss (3)

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Die geschichtliche Entwickelung des Bewegungsbegriffes. 
pag. 20).1) »Ich füge noch hinzu, dass es recht widersinnig erscheinen 
würde, dem Umfassenden oder Ortgebenden die Bewegung zuzu¬ 
schreiben und nicht vielmehr dem, was umfasst und an einem Orte 
befindlich ist, nämlich der Erde« (Cap. VIII. p. 30). Dem entsprechend 
heißt es auch in der kurzen Exposition der neuen Anordnung (Cap.X) : 
»Die erste und oberste von allen Sphären ist diejenige der Fixsterne, 
welche sich selbst und Alles einschließt ; darum ist sie auch unbeweg¬ 
lich, versteht sich als Ort des Alls, worauf Bewegung und Stellung 
allerübrigen Gestirne bezogen werden soll« (p. 37). Für den teleo¬ 
logischen Grundzug des Copernicanischen Geistes spricht ande¬ 
rerseits die folgende Stelle aufs unverkennbarste : «Man muss aber 
mehr der Weisheit der Natur folgen, welche nicht allein sich aufs 
äußerste gehütet hat, Ueberflüssiges oder Unnützes hervorzubringen, 
sondern im Gegentheil eine Sache oftmals mit zahlreichen Wir¬ 
kungen ausgestattet hat« (Cap. X. p. 36 sq.). Hierin liegt der Keim 
jener Argumente, welche aus der größeren Einfachheit des neuen 
Systems auf seine größere Wahrscheinlichkeit schließen und bis auf 
die Gegenwart in populären Darstellungen der Astronomie immer 
wieder geltend gemacht werden. Zur Zeit des Copernicus und 
seiner Nachfolger Kepler und Galilei hatte eine solche Argumen¬ 
tation noch Sinn ; denn man erkannte das Princip der Simplicität noch 
als eine metaphysische Wahrheit an; während dasselbe in der heu- 
tigenWissenschaft nur noch die Bedeutung einer methodologischen 
Convention besitzt. Niemand, welcher sich nicht über den Begriff 
der Bewegung überhaupt hinwegsetzt, wird gegenwärtig jenem Schlüsse 
des Copernicus sich anschließen. Die Sache liegt für uns eben 
ganz anders als für Copernicus und seine unmittelbaren Nachfolger, 
die mit einem bereits teleologisch gefärbten Bewegungsbegriffe ope- 
riren> ohne sich freilich selbst davon Rechenschaft zu geben. Man warf 
1,1 jenen Zeiten empirische, logische, teleologische, ästhetische2) Mo- 
mente untereinander, um zur Wahrheit zu gelangen. Sehr charakteri¬ 
stisch für den uns ganz fremden Ontologismus ist es z. B. auch, wenn 
0 per ni eus für die Kreisbewegung der Erde den Grund anführt, 
wohl h- Seitenzahlen beziehen sich auf die Warschauer Ausgabe, »caelat« ist 
■5ier nUr Dru<«ehler für »celat«. 
' z. B. De revolutionibus Cap. VIII. p. 30, X. p. 38. 
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