Volltext: Die geschichtliche Entwickelung des Bewegungsbegriffes und ihr voraussichtliches Endergebniss (3)

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Ludwig Lange. 
einfach verfahre, sondern nur vorschlägt, dass wir zum Nutzen der 
Erkenntniss die Natur unter möglichst vereinfachten Bedingungen be¬ 
trachten sollen. Gerade die Gegenwart scheint berufen zu sein, mit 
besonderer Rücksicht auf den Bewegungsbegriff diesen schon längst 
eingeleiteten Umwandlungsprocess zu Ende zu führen. 
Soviel zur allgemeinen Beleuchtung der Entwickelung, die wir 
nun im einzelnen zu betrachten haben. 
§ 1. Copernicus. 
Copernicus ist an der Umbildung des Bewegungsbegriffes nicht 
so sehr unmittelbar als vielmehr mittelbar betheiligt gewesen. Wenig¬ 
stens weicht er in der principiellen Auffassung des »Ortes« und der 
»Bewegung« von vorangegangenen Zeiten nur wenig ab. Zwar fordert 
er nicht mehr mit Aristoteles, dass der ortgebende Körper den an 
den Ort gestellten unmittelbar von außen berührt, aber doch, dass er 
der umfassendere ist ; und gerade darauf beruht einer seiner Haupt¬ 
einwände gegen das Ptolemäische System. 
Bereits die Scholastiker waren auf den Widerspruch aufmerk¬ 
sam geworden, dass das Himmelsgebäude keinen Ort haben sollte (in¬ 
dem es von Nichts umfasst wird) und dennoch seinen Ort verändern, 
sich bewegen. Sie glaubten das Paradoxon durch allerhand Begriffs- 
künsteleien lösen zu können; aber Copernicus durchschaute die 
Nichtigkeit aller solcher Versuche und ward sich klar, dass man 
von den Aristotelischen Lehren mindestens eine fallen lassen müsste, 
entweder die Definition des Ortes oder das Dogma von der Bewegung 
des Himmels. Er zog den zweiten Schritt vor, auf welchen er sich 
auch von Seiten des Simplicätsprincipes hingelenkt fühlte. Zum Be¬ 
lege hierfür lassen sich mehrere Stellen des ersten Buches »De revo- 
lutionibus« anführen. Zweimal kommt er auf jenes Paradoxon aus¬ 
drücklich zu sprechen, gleich als wenn er die Ueberzeugung von der 
Bewegung der Erde dadurch noch vollständig machen wollte. »Und 
da der Himmel es ist, welcher Alles enthält und birgt, der gemein¬ 
same Ort aller Dinge, so ist nicht sogleich klar, warum nicht lieber 
dem Umfassten als dem Umfassenden, lieber dem an einen Ort Gestell- 
ten als dem Ortgebenden die Bewegung beigelegt werden soll« (Cap. * •
	        
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