Volltext: Die geschichtliche Entwickelung des Bewegungsbegriffes und ihr voraussichtliches Endergebniss (3)

Die geschichtliche Entwickelung des Bewegungsbegriffes. 353 
Aristotelischen Lehrbegriffe nicht fremd, vielmehr ihm entwach¬ 
sen sind. 
Wirksamer als alle anderen Grundgedanken dieser Art ist in den 
Kampf gegen die Ptolemäische Weltordnung die Aristotelische 
Ansicht von der Zweckthätigkeit der Natur eingetreten. Wenn es 
freilich von Aristoteles unumschränkt gilt, dass hei ihm »über der 
materiellen Nothwendigkeit die Zweckthätigkeit der Dinge«1) steht, 
so lässt sich dieser Ausspruch auf die hier betrachtete Periode nicht 
ohne besondere Auslegung anwenden. Gilt es doch mit Recht als 
wesentliches Kennzeichen der von Galilei eingeleiteten Zeit, dass 
nachdrücklich auf causale Erklärung der Erscheinungen aus wenigen 
obersten Principien gedrungen wird. Was aber gleichwohl dieser gan¬ 
zen Geistesströmung ein durchaus teleologisches Gepräge verleiht, 
ist die Thatsache, dass jene obersten Principien selbst vorwiegend 
teleologisch gegründet sind. 
Besonders ist es ein teleologischer Grundsatz, welcher, entsprossen 
dem peripatetischen ovd-ev noiel jteçleçyov oiid'e jxarrjv fj cpéaig, 
von der allergrößten Bedeutung für die damalige Entwickelung der 
Naturwissenschaft überhaupt und des Bewegungsbegriffes im beson¬ 
deren gewesen ist. Ich meine das metaphysische Princip der Sim- 
plicität, wonach die Natur sich allenthalben der einfachsten Mittel 
bedient, um ihren Zweck zu erreichen. In früheren Zeiten bildete in 
der That dieses Princip eine der obersten Voraussetzungen aller Natur¬ 
wissenschaft. Wir werden denn auch vielfach Gelegenheit haben, 
seinen Einfluss zu beobachten ; wir werden sehen, wie es bereits eine 
schneidige Waffe in der Hand des Copernicus ist, und wie es dann 
von Galilei schon weit klarer in seiner ganzen Bedeutung gewürdigt 
und auf die dynamischen Grundprobleme angewandt wird. Unter 
den Voraussetzungen der Naturwissenschaft ist es gegenwärtig nicht 
mehr zu treffen, was aber keineswegs hindert, dass es hier und da 
n°ch immer unerkannter Weise Anwendung findet. Man kann in¬ 
dessen mit Recht verlangen, dass in den Ausführungen eben so gut 
'vie in den Voraussetzungen der Wissenschaft an seiner Stelle das le¬ 
diglich methodologische Princip der Simplicität eintritt, welches 
nicht die Behauptung einschließt, dass die Natur überall möglichst 
1) Zeller, a. a. O. Bd. IIP, S. 321. 
Wundt, Philos. Stadien. III. 
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