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David Selver.
Bei der Bedeutung ferner, die in jedem geistigen Entwicklungs-
process der Individualität, als dem substantiellen Träger desselben
zukommt, und zwar in um so höherem Grade, je geistiger und schöpfe¬
rischer ihre Bethätigungsart ist, glauben wir auch, ehe wir uns der
sachlichen Entwicklung unseres Gegenstandes zuwenden, noch einen
Blick auf jene Studienweise Leibniz’ werfen zu sollen, in welcher die¬
jenige Art des wissenschaftlichen und philosophischen Strebens, als
dessen Typus Leibniz mit Recht hingestellt zu werden pflegt, nicht
nur ihre erste Bethätigung zeigt, sondern von welcher sie auch sicher¬
lich die nachhaltigsten Antriebe empfangen hat. Wir meinen Leib¬
niz’ geniale Art der Selbstbildung und seinen wissenschaftlichen und
philosophischen Universalismus.
Um den letztem nicht, wie es trotz der ebenso glänzenden wie
durchaus zutreffenden Charakteristiken, die ihm von K. Fischer
und E. Zeller zu Theil wurden, noch häufig geschieht, als äußere
Polyhistorie und philosophischen Eklekticismus misszuverstehen1),
muss man seine früheste, von einer schöpferischen Genialität geleitete
Bethätigungsart kennen lernen, welche in allem Wissen instinctiv das
Principielle und Entscheidende zu finden oder tiefer zu begründen
suchte.'2) Der gewöhnliche Eklekticismus ist nicht nur unselbständig
und unschöpferisch, sondern im Grunde auch einseitig. Leibniz ist
beides nicht. Sein in der Philosophie wie in der Wissenschaft auf Aus¬
gleichung und Versöhnung des Gegensätzlichen gerichtetes Streben,
das dieses Ziel durch Schöpfung höherer und umfassenderer Begriffe
und Erweiterung der speculativen Gesichtspunkte zu erreichen trach¬
tet, wird vornehmlich durch eine Freiheit des Geistes geleitet, die in
reichen, gründlichen Kenntnissen, besonders aber in einer schon früh¬
zeitig durch umfassende Selbststudien und Lectüre erworbenen Vor¬
urteilslosigkeit ihren Rückhalt hat und sich ebensosehr gegen land¬
läufige , herrschende, wie gegen verrufene , als gefährlich oder über¬
wunden geltende Ansichten zu behaupten weiß.
Mit diesen in dem bezeichneten Sinne sfi fruchtbaren Selbststudien
hat Leibniz, wie er in einer unter dem (wahrscheinlich als Übersetzung
1) Man vgl. z. B. K. Grün, Kulturgesch. des 17. Jahrh. Bd. II. (1880.)
S. 420 ff.
2) Einige hierauf bezügliche Äußerungen Leibniz’ selbst vgl. man weiter unten
S. 226, Anm. 1.