Volltext: Der Entwickelungsgang der Leibniz‘schen Monadenlehre bis 1695 (3)

240 
David Selver. 
folge nicht, wie die Scholastiker wollen, dass die Form als etwas Im¬ 
materielles in den Körpern selbstthätig ohne einen von außen kom¬ 
menden Anstoß die Bewegung hervorbringe; die Form könne zwar als 
die Ursache der Bewegung angesehen werden, aber nicht als die 
erste, denn kein Körper bewegt sich, wenn er nicht von außen her 
bewegt wird, wie dies Aristoteles gezeigt habe (!). ') Leibniz deutet 
also den aristotelischen Satz, »dass alles sich Bewegende nothwendig 
von Etwas bewegt wird«, im Sinne des modernen physikalischen 
Axioms, »dass alle Bewegungsursache außerhalb des Bewegten liege«, 
was offenbar eine historisch unrichtige Auffassung ist. Denn für 
Aristoteles konnte jenes bewegende Etwas in dem Bewegten selbst 
enthalten sein. Es handelte sich hierbei nur um eine Scheidung dem 
Begriffe nach, insofern bei jeder Bewegung der Grund derselben und 
ihreThatsächlichkeit logisch auseinanderzuhalten sind. Das ist beson¬ 
ders daraus ersichtlich, dass Aristoteles selbst im ersten Bewegenden 
noch diese zwei Momente unterschied und sich in Folge dessen zu der 
Annahme genöthigt sah, dass das erste Bewegende selbst nicht be¬ 
wegt sein könne, denn als Grund der Bewegung kann es nicht zugleich 
ihre Thatsächlichkeit darstellen. Es würde sonst selbst auf ein an¬ 
deres Bewegende als auf seinen Grund zurückweisen. Jedes Ding, 
das von selbst in Bewegung gerathen kann;, ist daher nach Aristoteles 
zunächst nur ein potentiell Bewegtes und die Bewegung wird in die¬ 
sem Sinne die Actualität des Potentiellen genannt.1 2) 
Aber Leibniz kommt es bei diesen Ausführungen hauptsächlich 
darauf an, die Bewegungsursache im Gegensatz zur immanenten Auf¬ 
fassung derselben von Seiten der Atomistik und theilweise auch Des¬ 
cartes’ als ein höheres, unkörperliches, der Materie durchaus nicht 
immanentes Princip geltend zu machen. Und das sollte es ganz 
besonders im Sinne des Aristoteles sein. »Motus materiae ab intelli- 
gentia est, id est Deo«,3) glaubt er im Sinne des Aristoteles behaupten 
zu dürfen. Aber hierfür war die Voraussetzung des Cartesianischen 
1) Erdm. S. 52, XI. 
2) Vgl. hierüber sowie über das Verhältniss der aristotelischen Lehre von der 
Bewegung zu dem genannten Axiom der modernen Physik besonders die lichtvollen 
Ausführungen W un dt’ s in seiner Schrift »Die physikalischen Axiome und ihre Be¬ 
ziehung zum Causalprincip.« Erlangen 1866. S. 21 ff. 
3) Gerh. Bd. I. S. 10.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.