Volltext: Der Entwickelungsgang der Leibniz‘schen Monadenlehre bis 1695 (3)

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David Selver. 
Motive würden doch schwerlich hingereicht haben, um Leibniz die 
gänzlich unhistorische Basis seines Unternehmens übersehen zu lassen, 
welches im Grunde auf nichts anderes hinauslief als auf eine Beibe¬ 
haltung der aristotelischen, ihrer ursprünglichen, sachlichen Bedeu¬ 
tung aber vollständig entkleideten Termini. Man müsste Leibniz ent¬ 
weder zumuthen, dass es ihm darum zu thun gewesen sei — um in 
einem bekannten Gleichniss zu sprechen —, den neuen Wein in alte 
Schläuche zu bringen, oder man müsste, wie das Charles Thurot auch 
wirklich thut,1) annehmen, dass Leibniz die Schriften des Aristoteles 
gar nicht im Original gelesen und die Philosophie desselben nur »im 
Allgemeinen« und aus secundären Quellen gekannt habe. Wir lassen 
die Erwägungen Thurot’s auf sich beruhen und bemerken nur, dass 
uns das Ergebniss derselben unbegründet scheint.2) Die hier in Frage 
stehenden conciliatorischen Versuche Leibniz’ haben für die entwicke¬ 
lungsgeschichtliche Untersuchung der Monadenlehre eben nur in so¬ 
fern ein sachliches Interesse, als sie einerseits zur Orientirung dar¬ 
über dienen, wie sehr das Leibniz’sche Denken in naturphilosophi¬ 
scher Richtung von Hause aus modern geartet und seit 1668 beson¬ 
ders von der cartesianischen Physik beeinflusst war, andererseits das 
Problem erkennen lassen, dessen Lösung vor allem für dasVerhältniss 
Leibniz’ zur mechanischen Naturerklärung entscheidend wurde. 
Leibniz legte seine hier zu behandelnden Versuche zunächst in 
zwei Briefen an Jacob Thomasius nieder. Von diesen zwei Briefen 
gehört der eine bereits dem Jahre 1668 an.3) Hier tritt uns der Ge- 
1) Revue critique 1867 ; 2^me sem. p. 75 sq. 
2) Leibniz würde wohl Anstand genommen haben, seinem als Peripatetiker und 
Kenner der Originalschriften der alten Philosophen immerhin bekannten und von ihm 
selbst in dieser Beziehung oft gerühmten Lehrer Deutungen und Auslegungen des 
Aristoteles vorzulegen, wenn nicht bei beiden die stillschweigende Voraussetzung ob¬ 
gewaltet hätte, dass dies auf Grund eingehender Studien und quellenmäßiger Kennt- 
niss der aristotelischen Schriften geschehe. 
3) Gerh. Phil. Sehr. I S. 9 ff. Die Antwort des Thomasius auf diesen Brief ist 
vom 2. October datirt, während das Schreiben Leibniz’ das Datum »Francof. 6 Cal. 
Octobr. 1668« trägt. Der Herausgeber sah sich veranlasst, darauf hinzuweisen, dass 
das Datum dieses Leibniz’schen Briefes, nach dem des Thomasius zu schließen, un¬ 
richtig sein müsse. Gerh. scheint aber übersehen zu haben, dass »6 Cal. Octobr.« den 
26. September bedeutet, und dass somit die Antwort des Thomasius schon sehr wohl 
$m 24 October geschrieben sein konnte. S. Auerbach (Zur Entwickelungsgeschichte 
der Leibniz’schen Monadenlehre, Berlin 1884, S. 18) hat diesen Umstand gleichfalls 
übersehen, und zwar, nach der Art seines Citirens zu schließen, unabhängig von Gerh.,
	        
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