Volltext: Der Entwickelungsgang der Leibniz‘schen Monadenlehre bis 1695 (3)

Der Entwickelungsgang der Leibniz'schen Monadenlehre bis 1695. 
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Drit'tes Capitel. 
Die Frage nach dem Bewegnngsprincip, Einfluss der Cartesianischen Physik. 
Um so entscheidender und nachhaltiger war der Einfluss, wel¬ 
chen die Physik Descartes’ in den nächsten Jahren auf die naturphilo¬ 
sophischen Anschauungen Leibniz’ gewonnen hat. Dieser Einfluss 
betraf zwar nur zunächst die begriffliche Auffassung der Materie, 
aber er äußerte bald seine Rückwirkung auch auf die Behandlung der 
weiteren Probleme der Naturphilosophie, und besonders auf die Be¬ 
antwortung der Frage nach der ontologischen Natur der Bewegung. 
Diese Frage gewann für Leibniz bald auch ein speculativ-theologisches 
Interesse und bildet thatsächlich den Schwerpunkt, um den die in 
den nächsten drei Jahren beurkundeten physikalischen und »phoro- 
nomischen« Versuche gravitiren.’f 
Das metaphysische Interesse, welches Leibniz in Folge seines 
partiellen Aufgebens der atomistischen Grundvoraussetzungen an einer 
immanenten oder transienten Auffassung des Bewegungsprincipes 
nehmen musste, ist auch als das einzige sachliche Motiv anzusehen für 
seine in die Jahre 1668 und 1669 fallenden Versuche einer Vereini¬ 
gung der aristotelischen Naturphilosophie und Metaphysik mit den 
Principien der modernen mechanischen Naturerklärung. Solche con- 
ciliatorischen Unternehmungen mögen den individuellen Neigungen 
Leibniz’ auch an und für sich entsprochen haben; auch mag es für 
seine gelehrte Ambition einen gewissen Reiz gehabt haben, die zur 
Zeit sehr gesunkene Autorität des Aristoteles zu rehabilitiren und der 
exclusiven Haltung der Cartesianer mit dem vermeintlichen Nach¬ 
weise zu begegnen, dass alles das, was sie als neu ausgaben, schon in 
der Physik des Aristoteles enthalten sei.* 1) Aber solche und ähnliche 
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1) Hierfür ist besonders folgende Aeußerung charakteristisch : Nam vel osten- 
ditur Philosophiam Keformatam Aristotelicae conciliari posse et adversam non esse, 
vel ulterius ostenditur alteram per alteram explicari non solum posse, sed et debere, 
imoexAristotelicisprincipiisfluereeaipsaquaerecentiorestanta 
pompa j actantur. (Erdm. p. 49, IV., Gerh. I. 17). Leibniz hat auch später noch 
Descartes die vornehme Art, mit der er die ganze philosophische Vergangenheit igno- 
nrte, in verschiedenen brieflichen Auslassungen zum besonderen Vorwurf gemacht. 
Die hierauf bezüglichen Aeußerungen hat Nourisson, La philosophie de Leibniz 
(Paris 1860), zusammengestellt. Vgl. besonders S. 104—109.
	        
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