Der Entwickelungsgaiig der Leibniz’schen Monadenlehre bis 1695.
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beispielsweise die körperlichen Bewegungen, nach ihren Theilen vor¬
gestellt werden. Die Bewegung gehöre also nicht zum Wesen der
Seele, und sie sei daher kein Körper. Da aber alle Zerstörung einen
Bewegungsvorgang einschließe, so sei die Seele unzerstörbar, unauf¬
löslich, also unsterblich. Auf ähnliche Weise hat Leibniz später die
Ewigkeit jeder Monade, insofern sie nur durch das Eingreifen Gottes
vernichtet werden könne, zu beweisen gesucht.1) Aber die Grundlage
des ganzen Beweises ist doch die Cartesianische Unterscheidung von
denkender und ausgedehnter Substanz2) und die Setzung des Seelen¬
wesens in das »Denken«.
Auch der Einfluss der Cartesianischen mathematisch-demon¬
strativen Methode, welche auf den Principien einer rationalistischen
Erkenntnistheorie beruht, ist in dem eben behandelten Aufsatze wie
in der Ars combinatoria unverkennbar. Obschon LeibniS die Schriften
Bacon’s nach seiner oben mitgetheilten Angabe bereits als Knabe ge¬
lesen und ihres Verfassers sehr oft mit der größten Auszeichnung Er¬
wähnung thut,3) so ist doch von der Befolgung der von Bacon empfoh¬
lenen inductiven Methode in den Schriften Leibniz’ keine Spur zu fin¬
den. Dagegen zeigt sich sein wissenschaftlich-methodisches Verfahren
schon in den frühesten Versuchen von dem Geist des Cartesianischen
Rationalismus bestimmt. Die Ars combinatoria sollte nach Leibniz’
eigener Angabe ein realwissenschaftliches Seitenstück zu der mathe¬
matischen Analysis Descartes’ sein.4) Die stillschweigende erkennt-
1) Vgl. Monadol. 3—6.
2) So hat auch Descartes seinem Freunde Mersenne auf dessen Verwunderung,
dass in den Meditationes kein directer Beweis für die Unsterblichkeit der Seele zu
finden sei, während dieselben doch einen solchen auf dem (ursprünglichen) Titelblatt
angekündigt hätten, die Antwort ertheilt, dass dieser Beweis implicite in der Deduc¬
tion der völligen Verschiedenheit der Seele von der körperlichen Substanz gegeben
sei. Diese Thatsache genüge, um die Unsterblichkeit der Seele darzuthun. (Vgl.
A. Koch, Die Psychol. Descartes’. München 1881. S. 51.)
3) Vgl. beispielsweise Erdm. S. 45 u. S. 110.
4) An den Herzog Johann Friedrich (Gerh.I., 57) : »In derPhilosophia habe ich
ein mittel funden, dasjenige, was Cartesius und andere per Algebram et Analy-
?m in Arithmetica et Geometria gethan, in allen scientien zuwege zu bringen, per
Artem combinatoriam, welche Lullius und P. Kircher zwar excolirt, bei weiten aber
in solche deren intima nicht gesehen. Dadurch alle Notiones compositae der ganzen
Welt in wenig simplices als deren Alphabet reducirt und aus solcher alphabets com-
. Ination wiederumb alle Dinge samt ihren theorematibus, und was nur von ihnen zu
mventiren müglich, ordinata methodo mit der Zeit zu finden, ein weg gebahnt wird.«