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David Selver.
Conf. nat. die Grundvoraussetzungen der atomistischenNaturerklärung
zum Ausgangspunkt für eine mehr im kosmologischen Sinne gehaltene
Argumentation.J)
Wir werden in dem folgenden Capitel zu zeigen haben, wie nicht
lange nach dem Erscheinen dieser Schrift in Folge des partiellen Auf¬
gebens der atomistischen Grundvoraussetzungen dem hier gegebenen
Beweise der eigentliche Boden thatsächlich entzogen wurde, und dass
Leibniz, um seinen Beweis in einer anderen Form aufrecht zu erhalten,
sich veranlasst sah, der mechanischen, immanenten Auffassung der
Causalität der Naturvorgänge hinsichtlich der Bewegung wenigstens
zu widersprechen. In dem hier in Frage stehenden Aufsatze aber ist
eine solche Reaction gegen die Atomistik und die Corpuscularphilo-
sophie noch nicht vorhanden. Es ist zwar bemerkenswerth, dass Leib¬
niz, während er, wie wir oben sahen, noch 1666 die Methode der ato¬
mistischen Naturerklärung als diejenige pries, deren Weg allein in das
Innere der Natur führe, in der Conf. nat. auf die Punkte hinweist, wo
dieser Weg versagt. Aber es ist andererseits nicht zu übersehen, dass dies
hier noch nicht in der Absicht einer principiellen Abweichung von
der atomistischen, mechanischen Naturerklärung geschieht, sondern
nur zu Gunsten des Nachweises, dass die Natur der Hülfe Gottes nicht
entbehren könne. 2) Um Letzteres zu beweisen, geht er davon aus, dass
alle Naturphänomene zunächst aus den Grundeigenschaften (primis
qualitatibus) der Körper zu erklären seien. Als primae qualitates be¬
zeichnet er ganz im Sinne der Atomistik, Größe, Gestalt undBewegung.
Die Bewegungnämlich wurde insofern von den Atomistikern als Grund¬
eigenschaftangesehen, als sie dieselbe mit der Schwere indentificirten.3)
bezw. Theilbaren) gehöre eine unendliche »Virtus«. Diese könne aber nur Gott sein.
Darauf läuft der ganze in einem etwas verkünstelten Schema dargestellte Beweis in
der Ars combinatoria hinaus. Cf. Edm. S. 7, Gerh. IV, 32. (Am letzten Orte muss
es, nebenbei bemerkt, in Ax. 5 statt datur illud moyens : aliud moyens heissen.)
1) Leibniz spricht hier zwar allgemein von den »heutigen Philosphen (hodierni
philosophi), welche Boyle nicht unpassend Corpuscularphilosophen nenne«, aber im
Grunde ist es die engere Atomistik, von der er hier ausgeht.
2) Apparet enim in extrema corporum resolutione Dei auxilio carere naturam
non posse. Erdm. S. 47 b.
3) Cf. Gassendi, Synt. philos. I. p. 266b. . . Atomos nullam habere qualitatem
praeter figuram, magnitudinem et pondus . . . adjecit Plutarchus causam cur pro
prietas tertia fuerit addicta — quia necesse est, inquit Epicurus, corpora moveri ipso
impetu gravitatis. Cf. ibid. p. 273. — Inwieweit dies auch für die älteste, Leucipp