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Ljubomir Nedich.
Auch diesen Einwand können wir nicht als einen stichhaltigen
bezeichnen. Ist das quantificirte Urtheil wirklich so wesentlich ver¬
schieden von dem quantitativ nicht bestimmten, dass dieses durch
bloße Quantification in ein Doppelurtheil verwandelt wird? Und
wenn dies in der That der Fall ist, genügt diese Thatsache, das quan¬
tificirte Prädicat aus der Logik zu verbannen? — Vor Allem ist in Bezug
auf letztere Frage hervorzuheben, dass, sollte sich bei der Untersu¬
chung auch heraussteilen, dass durch Quantification des Prädicats in
der That Form und Inhalt des Urtheils verändert werden, indem das¬
selbe mehr aussagt, als in seiner ursprünglichen unquantificirten
Form, doch damit nicht der Stab gebrochen ist über die Quantifica¬
tion. Es könnte wohl sein, dass, wenn wir urtheilen, wir von der
Quantität des Prädicats absehen und dass so durch eine Quantification
desselben das ursprüngliche Urtheil modificirt wird, in einer Weise,
in der es der Absicht, in welcher es gestellt wird, weniger entspricht.
Wir wollen gerne zugeben, dass Jemand, der z. B. urtheilt »Alle
Menschen sind vernünftige Wesen«, damit nichts weiteres als die
Vernünftigkeit aller Menschen hervorheben will, und dass in Folge
dessen die quantificirte Form desselben Urtheils »Alle Menschen sind
alle vernünftigen Wesen«, die neben der beabsichtigten noch eine an¬
dere Aussage in sich schließt, eine seinen Zwecken weniger ent¬
sprechende ist. Das unquantificirte Urtheil hat ja im Allgemeinen den
Character der Unbestimmtheit, der, wo auch das Denken unbestimmt
ist, diesem entspricht. »Alle Menschen sind vernünftige Wesen« kann
heißen »Alle Menschen sind alle vernünftigen Wesen« und »Alle Men¬
schen sind einige vernünftige Wesen«. Der logische Nutzen der
Quantification besteht darin, dass sie diese Unbestimmtheit des
Denkens beseitigt. Hier entscheidet indessen nur eine Betrachtung
darüber, ob das Urtheil nach Interpretirung seines Inhalts nicht auch
bei unquantificirter Form ein quantitativ bestimmt gedachtes Prädicat
enthält. Abgesehen davon, dass ein Urtheil als Denkact nothwendig
einheitlich ist und schon deshalb nicht mehr als eine Aussage ent¬
halten kann, beruht die Mill’ sehe Kritik auf einer verkehrten Inter¬
pretation des allgemein quantificirten Urtheils. Jene beiden Aus¬
sagen, in die er das Urtheil »Alle Menschen sind alle vernünftigen
Wesen« zerlegt, sind in Wahrheit nicht Bestandtheile dieses Urtheils;
das quantificirte Urtheil enthält wie jedes andere stets nur eine