Psychologische Analyse der stroboskopischen Erscheinungen. 151
in den beiden äußersten Phasen immer gewaltsam zurückgestoßen zu
werden. Es ist das dieselbe Erscheinung als die, welche sich einstellt,
wenn man während der Eisenbahnfahrt das scheinbare Auf- und Ab¬
steigen der Telegraphendrähte beobachtet ; sobald eine Telegraphen¬
stange vorbeiflieht, scheint der bewegte Draht immer gewaltsam in
seiner Bewegung gestört zu werden. Es rührt dies jedenfalls daher,
dass wir gewöhnt sind, in der Natur immer nur stetige Bewegungen
zu beobachten, und eine derartige Unstetigkeit in der Bewegung, wie
sie bei den angeführten Erscheinungen auftritt, für uns etwas Unge¬
wohntes, sogar Unlustgefühl Erregendes an sich hat.
Die stroboskopischen Erscheinungen sind von mir deshalb einer
Untersuchung unterworfen worden, weil ich in der ganzen Literatur
über diesen Gegenstand fast immer nur Andeutungen über die An¬
wendbarkeit des Stroboskops, selten aber über die psychologische Be¬
deutung desselben vorfand. Der Einzige, der hauptsächlich auf letztere
eingegangen ist, scheint Stricker gewesen zu sein. Diebetreffende
Arbeit von Stricker1) muss um so mehr an dieser Stelle Berück¬
sichtigung finden, als der Verfasser derselben gerade in den strobosko¬
pischen Erscheinungen einen Hauptbeleg findet für seine neue Theorie
der Bewegungsvorstellungen ; letztere hält er selbst für eins der wich¬
tigsten Probleme der Philosophie. Der betreffende Abschnitt der
Stricker’sehen Arbeit ist überschrieben: »Das Stroboskop, ein
Apparat, um die Association von Muskelgefühlen mit Sinneswahr¬
nehmungen zu erweisen«.2)
Stricker wendet sich hauptsächlich gegen die nahe liegende
Annahme, dass die verschiedenen Phasenbilder auf der Netzhaut die
Bewegungsvorstellung auslösen, und glaubt einen Hauptbeweis für
seine Behauptung darin zu finden , dass man die Scheinbewegung der
gemalten Figuren (er arbeitete nur mit complicirten Phasenbildern,
wie die von springenden Männchen, nach Kugeln schnappenden
Hunden u. s. w.) nicht auch bekommt, wenn man direct den bewegten
Streifen im Dädaleum anblickt, oder wenn man den Streifen an die
Außenseite aufklebt3) und direct oder etwa durch eine Papierrolle
1) Studien über die Bewegungsvorstellungen, Wien 1882.
2) 1. c. pag. 28.
3) 1. c. pag. 30.