Volltext: Ueber die Trägheit der Netzhaut und des Sehcentrums (3)

üeber die Trägheit der Netzhaut und des Sehcentrums. 
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IV. Die relative Lesbarkeit der Buchstaben. 
Im vorigen Abschnitt haben wir untersucht, wie lange verschie¬ 
dene Arten von Buchstaben und Wörtern auf die Netzhaut wirken 
müssen, um erkennbar zu werden, und fanden, dass einige Alphabete 
schwerer zu lesen waren als andere. In diesem Abschnitt soll gezeigt 
werden, dass auch die Buchstaben desselben Alphabetes nicht alle 
gleich gut lesbar sind. Beides sind Umstände von der allergrößten 
praktischen Wichtigkeit. Das Lesen ist einer der wichtigsten Factoren 
unseres modernen Lebens, zugleich aber ein sehr künstlicher Act. Wie 
wir überall in der Natur erkennen, dass die Organismen sich weit¬ 
gehenden Veränderungen ihrer Lebensbedingungen anzupassen ver¬ 
mögen, so haben auch wir uns an jene Bedingung des modernen Le¬ 
bens gewöhnt, aber der große Procentsatz der Kinder, welcher sich 
Kurzsichtigkeit und Augenschwäche zuzieht oder an Kopfschmerzen 
leidet, ruft uns die Mahnung zu, die Wurzel jener Krankheiten zu 
beseitigen, bevor dieselben erblich werden. Bedenkt man die große 
Anstrengung des Auges und des Gehirns, welche beim Lesen noth- 
wendig ist, so ist es von der allergrößten Bedeutung, diese Organe zu 
entlasten, indem man beim Drucken Symbole anwendet, welche mit 
möglichst geringem Aufwand von Kraft und Anstrengung gelesen wer¬ 
den können. Es bedarf keiner besonderen Versuche, um nachzuweisen, 
dass Bücher (namentlich Schulbücher) in großen deutlichen Lettern 
gedruckt werden müssen, die Versuche aber, welche ich beschrieben 
habe, lassen uns die günstigste Art von Lettern erkennen. Ich habe 
diese Frage in der vorliegenden Arbeit leider nicht vollständig lösen 
können, aber da ich mich mit diesen Versuchen mehr als zwei Jahre 
lang beschäftigt habe, und besonders, da es mir wegen der anstrengen¬ 
den Natur der Versuche nicht gerathen erscheint, dieselben jetzt fort¬ 
zusetzen, so hielt ich es für wünschenswerth, die bisher gefundenen 
Resultate zu veröffentlichen. Es ist wahrscheinlich, dass der Gebrauch 
zweier Arten von Buchstaben, großer und kleiner, Auge und Gehirn 
eher anstrengt als entlastet. Alle Verzierungen und Schnörkel sind 
der Auffassung hinderlich, darum sind die deutschen Buchstaben, be¬ 
sonders die großen, nicht empfehlenswerth. Die einfachsten geometri¬ 
schen Gestalten scheinen am leichtesten erkennbar zu sein. Die Linien 
dürfen nicht zu dünn gedruckt sein; wir scheinen nämlich einen 
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