620 Armand Thiéry. Ueber geometrisch-optische Täuschungen.
convergenten großen Stäbe muss daher überwiegen. Die Täuschung
wird also im gewöhnlichen Sinne erfolgen; sie wird nur abgeschwächt
werden durch die Convergenz der Stäbchen mit der Achse. Für
90° oder 180° ist aber der Convergenzpunkt der großen Stäbe nicht
mehr der entfernteste, die Convergenten des einen oder des andern
Systems werden den Blick auf sich lenken, und die Täuschung
wird in dem einen oder in dem andern Sinne erfolgen. Bei 0°
kann man endlich die Täuschung im entgegengesetzten Sinne er¬
halten, wenn man Stäbchen mit verschiedenen Durchmessern zur
Anwendung bringt und die Combination j ^ bildet. Wir haben
oben gesehen, dass die Combination j ^ die Täuschung begün¬
stigt; aus demselben Grunde muss die umgekehrte Combination die
Täuschung vermindern und eine solche im entgegengesetzten Sinne
begünstigen.
6. Einfluss des monocularen Sehens und der Entfer¬
nung. Die Täuschung ist für das monoculare Sehen größer in
nahen Entfernungen, offenbar weil die Verschiedenheit der Bilder
in beiden Augen wesentlich dazu beiträgt, eine genauere Vorstellung
der wirklichen Entfernung der beiden Stäbchen zu bilden.
7. Einfluss der Lage der Modellfläche. Wenn das Modell
senkrecht steht, vermindert sich die Täuschung und kann sogar im
entgegengesetzten Sinne stattfinden. Denn bei senkrechtem Modell
sind die beiden Stäbchen in Wirklichkeit gleichweit entfernt von
der senkrechten Ebene, welche durch die Verbindungslinie der
beiden Augencentren geht. Man begreift, dass dies den Eindruck,
das eine der Stäbchen sei weiter entfernt als das andere, ab¬
schwächen muss. Bei 0° ist das dem Convergenzpunkte am näch¬
sten gelegene Stäbchen dem Auge näher als das andere; dies wirkt
im entgegengesetzten Sinne auf die Association ein. Da fur zwei
Convergenten die Täuschung am schwächsten ist, so kann sie in
diesem Falle leicht im entgegengesetzten Sinne erzielt werden.
(Schluss folgt.)
Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig.