Volltext: Studien zur Blinden-Psychologie, Schluss (11)

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Theodor Heller. 
Haut an die berührende kältere Luftschicht entsteht1). Es ist nun 
durchaus nicht der Fall, dass der Blinde überall da, wo es sich um 
die Beurtheilung der Annäherung eines Hindernisses handelt, in 
übereinstimmender Weise von seinem »Fernsinn« Gebrauch macht. 
Er befolgt auch hier das Gesetz der Kraftersparung, indem er, 
wenn sich ihm verschiedene Kriterien darbieten, die auf das Vor¬ 
handensein eines Hindernisses schließen lassen, dasjenige be¬ 
vorzugt, welchem die größte Deutlichkeit zukommt, zu dessen 
Auffassung also eine geringere Spannung der Aufmerksamkeit er¬ 
forderlich ist. Da sich die Bewegung eines Objects für gewöhnlich 
durch specifische Geräusche schon in weiterer Entfernung bemerk¬ 
bar macht, so ist es erklärlich, dass hier der Blinde den Eintritt 
der Druckempfindungen nicht erst abwartet, um sich rechtzeitig vor 
einem Zusammenstoß zu bewahren. Demnach kommt den Annähe- 
iungsempfindungen, die, wie wir sogleich sehen werden, sich nicht 
bloß aus einer Tast-, sondern auch aus einer Gehörscomponente 
zusammensetzen, nur in dem zweiten oben erwähnten Falle eine 
thatsächlich selbständige Bedeutung zu. 
Aus den Selbstbeobachtungen zahlreicher Blinden geht zweifels¬ 
ohne hervor, dass die Annäherung eines Hindernisses nicht bloß 
nach den schwachen Druckempfindungen, die in der Stirngegend 
auftreten, beuTtheilt wird, sondern auch nach der Modification des 
Schrittgeräusches, die den veränderten Bedingungen der Schall¬ 
reflexion entspricht. Auch wir sind bei Bewegungen in einem 
dunkeln Zimmer bei Concentration der Aufmerksamkeit auf die 
Beobachtung des Schrittgeräusches nicht selten in der Lage, in der 
Nähe der Zimmerwand eine eigenthümliche Dämpfung des Schalles 
wahrzunehmen. Bei oberflächlicher Betrachtung scheint es nun, als 
ob diesen Gehörswahrnehmungen eine derart bevorzugte Stellung 
in der Auffassung zukäme, dass daneben den Tastempfindungen 
kaum eine besondere Bedeutung zugesprochen werden könne. 1st 
doch der Blinde im Stande, nach der Gehörswahrnehmung die An¬ 
näherung eines Objects schon auf 3—4 m zu constatiren, während 
sich die entsprechenden Druckempfindungen im günstigsten Falle 
1) In viel stärkerem Maße nimmt man die analoge Empfindung der Kühle 
beim Gebrauch eines Fächers wahr.
	        
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