Studien zur Blinden-Psychologie.
Von
Theodor Heller.
(Schluss.)
II. Ueber die Association von Tast- und Gehörsvorstellungen.
Der Raumvorstellung des Blinden ist durch die Größen- und
Entfernungsverhältnisse der Objecte eine nahe Schranke gezogen.
Das Tastorgan entwickelt Vorstellungen von den Gegenständen nur
dann, wenn dieselben die sensible Fläche berühren. In der Tast¬
wahrnehmung liegt demnach kein Moment, das eine Verlegung der
Eindrücke in wechselnde Entfernung analog dem Gesichtssinn er¬
möglichte. Eine gewisse Ausnahme bedingen hier nur die That-
sachen der doppelten Berührungsempfindung1). Wenn sich der
Blinde zur Herstellung seiner Schrift eines Griffels bedient, so ver¬
legt er die Vorstellung des Schriftzeichens an die Spitze des In¬
struments, obzwar natürlich auch hier die Empfindung an der
Oberfläche der Haut stattfindet. Ebenso erkennt der Blinde bei
Benutzung eines Stockes ein seiner Bewegung entgegenstehendes
Hinderniss, schon bevor er dasselbe unmittelbar mit seiner sensiblen
Fläche berührt. Wird eine directe Abmessung des Instruments nicht
gestattet, so stützt sich die Vorstellung der Entfernung, welche bei
der doppelten Berührungsempfindung zu Stande kommt, im wesent¬
lichen auf jene Kraftempfindungen, welche aus der Muskelcontraction
1) Vergleiche Lotze, Medicinische Psychologie, S. 428ff., Wundt, Physio¬
logische Psychologie, II (4. Aufl.) S. 22.