Ueber unwillkürliches Flüstern.
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in dem Punkte 4,6 (Fig. 5) sehr wohl möglich sein zu hören, was
in A geflüstert wurde, während Personen, die hinter dem Flüstern¬
den saßen, gar nichts bemerken konnten. Aehnliche Verhältnisse
können in den Versuchen Mrs. Sidgwick’s stattgefunden haben,
und es wird demnach verständlich, dass Gedankenübertragungen
von einem Zimmer zum andern zu Stande kommen konnten, ohne
dass die an beiden Orten anwesenden Personen etwas bemerkten.
Es braucht kaum gesagt zu werden, dass Hyperästhesie der
Percipienten unter solchen Verhältnissen eigentlich gar nicht noth-
wendig ist. Ist die Reizschwelle des Gehörs in einem Punkte A
kleiner als in dem Punkte B, so wird eine Person in A einen Laut
hören können, der von anderen Personen in B nicht aufgefasst
wird, wenn die verschiedenen Personen, ceteris paribus, die gleiche
Gehörsschärfe haben. Die Person in A braucht also nicht hyper¬
ästhetisch zu sein. Indessen ist es äußerst wahrscheinlich, dass
die hypnotisirten Percipienten immer wegen des »Rapports« mit
den hypnotisirenden Agenten eine Hyperästhesie des Gehörs er¬
langen. Als ich einen jungen Studenten in eine sehr leichte Hyp¬
nose versetzte, um seine Reizschwelle in diesem Zustande zu be¬
stimmen, verminderte sich die Schwelle in drei Versuchen jedesmal
um die Hälfte. Dass die Hyperästhesie übrigens noch bedeutender
werden kann, wissen wir z. B. aus den Untersuchungen Beaunis’;
bei einer Somnabule hatte die Reizschwelle in der Hypnose nur
1/14 der normalen Größei). Eine solche Schärfung des Gehörs mag
wohl eine Seltenheit sein, sie ist aber auch nicht nothwendig. Von
unseren Hohlspiegeln wurden die Schallwellen eben 14 Mal ver¬
stärkt, was mit dem Schallapparate leicht gemessen werden konnte.
Wie Tab. I zeigt, haben wir aber auch eine weit größere Procent¬
zahl richtiger Fälle erhalten, als wohl jemals in Versuchen über
Gedankenübertragung erreicht worden ist. Selbst eine geringere
Verstärkung der Schallwellen, oder, was auf dasselbe hinausläuft,
eine geringere Hyperästhesie des Gehörs würde ausreichen, um eine
beträchtliche Anzahl gelungener Versuche zu Stande zu bringen.
Es scheint mir also, dass die beiden genannten Factoren, eine
mäßige Hyperästhesie und. eine günstige Stellung des Percipienten
1) Beaunis, Le somnambulisme provoqué. Ed. 2. Paris 1887. pag. 98.