Volltext: Studien zur Blinden-Psychologie, Fortsetzung (11)

Studien zur Blinden-Psychologie. 
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des Blinden möglich ist. Wir können jene Tastart als die voll¬ 
kommenste betrachten, die von Blinden verwendet wird, welche zur 
Entwicklung adäquater Raumvorstellungen befähigt sind. Durch 
directe Methoden, etwa durch das Beschreiben oder das Wieder¬ 
erkennen der Objecte, ist aber eine klare Einsicht in die Verhält¬ 
nisse der Auffassung nicht zu erreichen. Bis jetzt hat man allgemein 
angenommen, dass der Blinde, welcher ein Object zu beschreiben 
oder wiederzuerkennen vermag, ein klares Bild des Objectes erlangt 
haben müsse. Man dachte hierbei stets an die Verhältnisse des 
Sehenden, und wie in vielen Fällen, so hat auch hier das einfache 
Hinübertragen von Beobachtungen an sehenden Individuen auf Blinde 
einen groben Irrthum geschaffen. Wenn der Sehende ein Object 
zum Zwecke der Beschreibung betrachtet, so prägt er sich das Bild 
desselben in allen Einzelheiten genau ein und liest bei der folgenden 
Beschreibung die hervorzuhebenden Kriterien von diesem Bilde 
gleichsam ab. Aber auch hier ist die genaue Beschreibung kein 
hinreichendes Zeugniss für das deutliche Vorstellen. Dies wird 
namentlich dann ersichtlich, wenn man den umgekehrten Weg geht 
als im angeführten Falle, wenn nämlich aus einer vorliegenden 
Beschreibung das Bild des Gegenstandes erst construirt werden soll. 
Die angeführten Merkmale können dann ganz wohl gedächtniss- 
mäßig eingeprägt werden, ohne dass der Schilderung eine präcise 
Vorstellung zu entsprechen braucht. Auch hier erweckt die genaue 
Beschreibung oft den Schein des Verständnisses. Wenn man nun 
dem Blinden ein Object, z. B. einen Würfel, mit der Aufforderung 
vorlegt, denselben zum Zweck einer genauen Beschreibung zu 
betasten, bei welcher es sich um Angabe der Ecken-, Kanten-, 
Flächenanzahl, der Größe und des Stoffes, aus welchem das Object 
gefertigt ist, handelt, so ereignet es sich häufig, dass der Blinde 
diese Bestimmungen successive von dem vorgelegten Object abliest, 
ohne dass eine genaue Vorstellung dieser genauen Beschreibung zu 
Grunde liegt. Der Blinde zählt nach der Reihenfolge der Frage¬ 
punkte die Zahl der Ecken, Kanten und Flächen, darauf nimmt er 
die Maßbestimmung vor, wobei dem ungeübten Blinden die eng 
aneinander gelegten Finger gleichsam als Maßstab dienen, zuletzt 
überzeugt er sich durch den Klopfton oder durch besonderes Be¬ 
tasten von dem Stoff des Objectes, wenn auch diese Bestimmung
	        
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