Volltext: Studien zur Blinden-Psychologie, Fortsetzung (11)

Studien zur Blinden-Psychologie. 
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sprechenden Größe der Schriftzeichen gelangt. Nichtsdestoweniger 
pflegt man gerade den ersten Leseversuchen Buchstaben von der 
Größe unserer gebräuchlichen Placatschrift zu Grunde zu legen 
und die Zeichen dann continuirlich zu verkleinern, bis man zu der 
normalen Schriftgröße gelangt ist. Wenn man auf diese Weise den 
pädagogischen Grundsatz, dass stets vom Leichteren zum Schwereren 
übergegangen werden solle, zu erfüllen hofft, so bleibt hier in der 
That die Frage offen, welche Zeichen dem Blinden die größeren 
Schwierigkeiten bereiten. Durch Excursionen des Fingers bei ru¬ 
hender Hand sind, wie leicht zu zeigen, jene großen Buchstaben 
nicht abmessbar. Dennoch soll gerade an diesen die Lesestellung der 
Hand eingeübt werden. Es ist gewiss sehr misslich, dem Blinden 
gleich zu Beginn seines Unterrichtes Aufgaben zu stellen, die mit 
den Bedingungen des Fastens in keiner Weise Übereinkommen. 
Mehrere Blindenlehrer, die ich hierüber befragt habe, überschlagen 
deshalb die in den Fibeln vorgedruckten großen Buchstaben und 
beginnen sofort erfolgreich mit dem normalen Antiquaalphabet. 
Bei der Auffassung der Schriftzeichen lassen sich zwei Arten 
der Bewegung sehr deutlich unterscheiden. Die eine besteht in 
Beugungen und Streckungen, die im Interphalangealgelenk des Tast¬ 
fingers ausgeführt werden, die andere nach vollführter Beugung in 
eigenthümlich zuckenden Progressivbewegungen. Möglicherweise 
hat die Beobachtung der letzteren Bewegungen, welche die continuir- 
lichen Linien in eine Aufeinanderfolge von Punkten aufzulösen 
streben, Barbier dazu veranlasst, den Klein’schen Punkt- vor 
den Hauy’sehen Strichbuchstaben den Vorzug zu geben. Wozu 
dienen nun den Blinden die Beugungen und Streckungen, dann die 
Progressivbewegungen des Tastfingers? Auch hier treten uns jene 
wichtigen Beziehungen des synthetischen und analysirenden Tastens 
entgegen, die wir schon bei den allgemeinen Erörterungen über die 
Raum Vorstellung des Blinden kennen gelernt haben, diesmal aber 
in unverkennbarer Einfachheit und Deutlichkeit. Bei der Streckung 
des Fingers berührt die Volarseite des dritten Fingergliedes den ge- 
sammten Buchstaben. Hierdurch wird die Entwicklung eines sche¬ 
matischen Gesammtbildes ermöglicht, das zu seiner Verdeutlichung 
die nachfolgende Tastanalyse erfordert. Durch die zuckenden Tast¬ 
bewegungen wird nun successive dieselbe engbegrenzte Hautstelle
	        
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