454
Theodor Heller.
Die Praxis des Blindenunterrichts hat nun alle diese Ver¬
besserungen abgelehnt und sich für die unveränderte Beibehaltung
der ursprünglichen Br ai Ile’sehen Symbole mit geringen Verschie¬
bungen, wie sie die verschiedenen Sprachen erforderlich machen,
endgültig entschieden. Neuerer Zeit tritt das Bestreben hervor,
dem Blinden eine Kurzschrift zu ermöglichen, indem durch Ver¬
wendung des phonetischen Princips und durch Einführung von
Abbreviaturen für die gebräuchlichsten Worte eine Zusammen-
drängung des Inhalts auf einen geringeren Raum herbeigeführt
werden soll. Eine endgültige Entscheidung über die Fragen der
Kurzschrift bleibt noch der Zukunft Vorbehalten.
Da für den Verkehr der Blinden mit Sehenden sich die
Klein’sche Schrift als nicht völlig ausreichend erweist, so hat man
in den französischen Blindenanstalten das von Weißenburg
angewendete Verfahren beibehalten. In den deutschen Blinden¬
anstalten findet jedoch zumeist die von dem Blindenlehrer Hebold '}
vervollkommnte Schreibtafel Anwendung.
Die zur Befestigung des Papiers dienende Holztafel ist hier
von einer Metallfassung umgeben, in deren zu beiden Seiten befind¬
lichen Lücken die Fortsätze des Lineals eingreifen können, das in
regelmäßigen Abständen 24 bis 44 rechteckige Ausnehmungen ent¬
hält. Die Seiten der Ausnehmungen sind wieder durch Einkerbungen
genau in die Hälften getheilt, und diese bieten dem Griffel, der
sich nicht den Kanten entlang bewegt, Ansatzpunkte. Auf diese
Weise können 26 Zeilen geschrieben werden, die Anzahl der Zeilen
verdoppelt sich jedoch bei den kleinsten Buchstaben, bei deren
Anwendung das Blechlineal das Schreiben zweier Zeilen ohne Ver¬
schiebung ermöglicht. Da das HeboldschTeiben nur bei möglichster
Ausnutzung des Raumes gegenüber der Kleinschrift bemerkenswerthe
Vortheile bietet, den meisten Blinden aber die Anfertigung kleiner
Buchstaben sehr erhebliche Schwierigkeiten bereitet, die sich darin
äußern, dass die Schrift für Sehende kaum lesbar wird, so dürfte
die neuerdings geplante Einführung der Schreibmaschinen mit
Klaviatur die schwerfällige Heboldschrift wohl bald aus den Blinden¬
schulen verdrängen, um so mehr, als hierdurch dem Blinden neue,
1) E. Hebold, Schreibschule für Blinde, Berlin 1859.