Volltext: Studien zur Blinden-Psychologie, Fortsetzung (11)

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Theodor Heller. 
Wir verlassen hiermit das eigentliche Gebiet des analysirenden 
Tastens und wenden uns jenen Tastmessungen zu, bei welchen 
Bewegungen des Gesammtkörpers nothwendig werden und speciell 
die Schrittbewegung zur Maßbestimmung Verwendung findet. Die 
Gebrüder Weber haben bereits nachgewiesen, dass die Schritt¬ 
bewegung eine Pendelbewegung darstellt, und wie wir für gewöhn¬ 
lich die letztere zur Zeitmessung benutzen, so bietet auch die erstere 
Verhältnisse dar, welche die Ausbildung präciser Zeitvorstellungen 
vor allem begünstigen. Zunächst kommt hier der regelmäßige 
Wechsel von Erwartungsspannung und -erfüllung in Betracht, ferner 
die Rhythmik der Bewegungsempfindungen und der durch das 
Aufsetzen der Füße veranlassten Gehörseindrücke. Aehnlich wie 
die Raumvorstellung resultirt auch die Zeitvorstellung aus einer 
associativen Verschmelzung der obenerwähnten Componenten. Diese 
muss aber zum Unterschiede von der erstgenannten als eine intensive 
bezeichnet werden, da die einzelnen Factoren bloß eine intensive, 
nicht aber eine qualitative Abstufung erkennen lassen, welch’ letztere 
zu einer räumlichen Ordnung der Eindrücke Veranlassung geben 
könnte. Der Blinde bestimmt Länge und Breite eines Raumes nach 
der zur Durchmessung desselben erforderlichen Schrittzahl. Da der 
Blinde die Länge seiner Schritte genau kennt, so ist er jeder Zeit 
im Stande, die auf diese Weise abgemessenen Dimensionen in den 
üblichen Maßeinheiten auszudrücken. Es macht dem Blinden nach 
einiger Uebung auch durchaus keine Schwierigkeiten, Pläne in ent¬ 
sprechend verjüngtem Maßstabe herzustellen, welche bei einer nach¬ 
folgenden genauen Messung sich als vollkommen richtig erweisen. 
Wenn also auch ursprünglich das Hervortreten des Bewegungsfactors 
die Ausbildung der Zeitvorstellung begünstigt, so ist der Blinde 
dennoch durch eine Reihe intellectueller Operationen befähigt gleich¬ 
sam Zeit- in Raumverhältnisse umzusetzen. 
Wie wir schon zu Beginn dieses Abschnittes erwähnt haben, 
ist eine unmittelbare Bestimmung der Höhe durch die Schrittmessung 
für gewöhnlich nicht zu erreichen. Auf Umwegen verhelfen sich 
in diesem Falle einige Blinde zu einer Bestimmung der dritten 
Dimension. Sehr interessant sind hier die Mittheilungen des Blinden 
Karl H. Dieser konnte sich zunächst von der Höhe eines Zimmers 
keine bestimmte Vorstellung machen. Einmal stand eine Leiter in
	        
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