Studien zur Blinden-Psychologie.
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messungen zurückzuführen auf ein einheitliches Normalmaß, das
dem Blinden durch die Armconvergenz gegeben ist. In den meisten
Fällen verändert der Blinde bei der Tiefenmessung die Stellung
seines Körpers und bestimmt nunmehr die Tiefe ebenso wie vorher
die Breite des Objectes. Lange nicht so einfach ist die Ueberführung
der Höhenmessung in das Normalmaß. Man kann zwar häufig
beobachten, dass der Blinde die Höhenbestimmung auch in der
Weise vornimmt, dass er mit der einen Hand die obere Begrenzungs¬
linie berührt, während er mit der anderen die untere Begrenzungs¬
linie zu erreichen sucht. Gelingt dies nicht, so kommt als Hülfs-
bestimmung die Beugung des Gesammtkörpers hinzu. Aber hier
kommt in Rücksicht, dass der Breitenmaßstab ausgedehnter ist als
der auf diese Weise hergestellte Höhenmaßstab, was sich unmittel¬
bar aus unserer Darstellung des beidarmigen Tastraumes ergibt.
Daraus resultirt nun eine nicht unbedeutende Schwierigkeit für
die gleichmäßige Raumbestimmung. Diese haben einige Blinde
mittelst eines sehr einfachen Verfahrens, auf das sie eigenes Nach¬
denken geführt hat, zu bewältigen gesucht, indem sie durch An¬
wendung zweier der Breiten- und Höhenspannung der Arme ent¬
sprechenden Maßstäbe, die abwechselnd zur Messung derselben
Dimension verwendet werden, sich das Verhältniss von Breiten-
und Höhenbestimmung klarzumachen bestrebt sind. Daraus geht
aber hervor, dass der Blinde die Vorstellung eines größeren Objectes
mühsam, geradezu berechnend aus einer Summe von Einzelbestim¬
mungen zusammensetzen muss. Dies erfordert einen bedeutenden
Aufwand intellectueller Kraft, welcher höher ist, als im allgemeinen
namentlich von Blindenlehrern angenommen zu werden pflegt. Die
Schwierigkeiten der Raumauffassung sind zum Theil so große, dass
es hierbei gar nicht zu einer einheitlichen Vorstellungsbildung kommt,
sondern dass sich der Blinde mit Hülfsvorstellungen, sog. Surrogat¬
vorstellungen begnügt, die sich entweder auf einen bestimmten Theil
des Objectes beschränken oder auf die Perception jener Körper¬
stellungen, welche der Blinde gewöhnlich den Objecten gegenüber
einnimmt. Die letzteren treten zwar im selben Verhältnisse in den
Hintergrund, als der Blinde zur Construction objectiver Vorstellungen
befähigt wird, ein vollständiges Verschwinden derselben ist aber nur
selten zu constatiren. Für gewöhnlich verbindet der Blinde die Namen