Volltext: Studien zur Blinden-Psychologie, Fortsetzung (11)

Studien zur Blinden-Psychologie. 
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entwickelt habe. Wir können vielleicht annehmen, dass die Nerven- 
vertheilung in der Haut ursprünglich eine gleichmäßige war, sich 
jedoch an jenen Stellen ein besonderer Nervenreichthum ausgebildet 
habe, welche den objectiven Verhältnissen des Tastens am besten 
entsprechen. Bei dem im vorliegenden Abschnitt zu behandelnden 
analysirenden Tasten kommt der Raumsinn der Haut nicht in Rück¬ 
sicht, aber wir dürfen nicht vergessen, dass die Unterscheidung des 
synthetischen und analysirenden Tastens lediglich unserer Abstraction 
entspringt. In der That ist eine Modification des synthetischen 
Tastens vorhanden, welche den Uebergang zwischen beiden Tast¬ 
arten vermittelt: wir haben dieselbe in dem directen Tasten bereits 
kennen gelernt. Wenn wir den Vergleich mit den Verhältnissen 
des Lichtsinnes weiterführen, so können wir jene punktförmige 
Stelle des Tastfingers, welche successive mit den Theilen eines 
Objectes in Berührung kommt, als Fixationspunkt der Hand be¬ 
zeichnen1). Beim analysirenden Tasten geben die Conturen der 
Gegenstände die Bahnen an, längs welcher sich der Tastfinger be¬ 
wegt; in ähnlicher Weise wie beim Sehen gewinnen die ersteren daher 
die Bedeutung von Fixationslinien. 
Es ist leicht einzusehen, dass die Tastbewegungen in viel wei¬ 
terem Umfange geübt werden können, als dies für den Raumsinn 
der ruhenden Hand möglich ist. Aber nur dort erlangen die 
Bewegungen eine specielle Bedeutung für die Raumvorstellung des 
Blinden, wo sie sich zu associiren vermögen mit einem Simultanbild 
des Objects. Dies kann entweder unmittelbar in der Wahrnehmung 
erfolgen, indem der Blinde direct vom synthetischen zum ana¬ 
lysirenden Tasten übergeht, oder in jenen Fällen, in denen dem 
analysirenden Tasten ein synthetischer Tastvorgang nicht mehr ent¬ 
spricht, auf mittelbarem Wege durch einen Akt associativer Beziehung, 
welcher subjectiv die Möglichkeit zur Vollziehung einer psychischen 
Synthese gewährt. Für die Entwicklung der Raumvorstellung des 
Blinden ist die Größe der Objecte von hoher Bedeutung, und nach dieser 
richten sich vor allem die verschiedenen Bedingungen der Tast¬ 
analyse. Eine geringe Anzahl kleiner Objecte kann in doppelter 
1) Streng genommen hat die tastende Hand zwei Fixationspunkte. Ver¬ 
gleiche unten S. 421 f.
	        
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