Ueber die Trugwahrnehmung zweier Punkte etc.
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Eine dritte Thatsache, die schwer durch psychische Vorgänge
zu erklären wäre, ist die Gleichheit oder Verschiedenheit der
empfundenen Punkte in den Vexirfehlern. Wir haben schon hervor¬
gehoben, dass man bei der Berührung eines Punktes manchmal
zwei Punkte wahrgenommen hat; diese zwei Punkte schienen manch¬
mal der Versuchsperson qualitativ gleich zu sein, und in diesen
Fällen schienen sie bald getrennt von einander, bald durch eine
Linie verbunden, manchmal empfand die Versuchsperson zwei quali¬
tativ verschiedene Punkte, so dass einer schärfer oder stärker oder
schmerzhaft, der andere stumpfer oder leiser war etc. Wenn diese
Vexirfehler psychischen Ursprungs wären, so könnte man denken,
dass man immer die beiden Punkte als qualitativ gleich oder immer
als qualitativ verschieden wahrnehmen müsste, und die von uns
beobachtete Verschiedenheit in den Antworten wäre schwer zu
erklären.
2. Der Einfluss, den die Erwartung und das Wissen auf die
Vexirfehler ausübt, ist sehr deutlich aus den Tabellen V und VI
zu sehen. Die Erwartung eines Punktes und das Wissen, dass nur
ein Punkt der Haut berührt wird, vermindern beträchtlich die Zahl
der Vexirfehler, aber sie schließen diese doch nicht ganz aus. Da¬
gegen vermehrt die Erwartung zweier Punkte die Zahl derselben.
Wenn wir alle unsere Resultate zusammenfassen, so schließen
wir, dass die Wahrnehmung zweier Punkte bei der Be¬
rührung eines Punktes der Haut zunächst von physio¬
logischen Bedingungen (wahrscheinlich den Nerven-
verbindungen des berührten Punktes) abhängt, dass sie
aber durch psychische Vorgänge, wie Wissen und Erwar¬
tung, beeinflusst wird.
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