Ueber geometrisch-optische Täuschungen.
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Zöllner’sehen Figur. Da diese Linien in der Zeichnungsebene
sich befinden, begreift man, dass sie nicht mehr eine scheinbare
Convergenz darstellen werden. Wir haben in Figur 6 durch punktirte
Linien die schneidende Ebene angedeutet; man sieht, dass die
Längsstreifen der Zöllner’schen Figur in dieser Ebene liegen, und
da diese Längsstreifen in der Ebene des Papieres gesehen werden,
so ist kein Grund mehr vorhanden, sie convergirend oder divergirend
zu sehen. Wie in der Treppenfigur die Scheitellinien der Flächen¬
winkel, welche die Treppenstufen darstellen, abwechselnd hervor¬
springen und unter der schneidenden Ebene liegen, ebenso werden
die Linien in dem Experimente von Guye abwechselnd über und
unter der Fläche des Papiers erhabene oder hohle Flächenwinkel
bilden. Wenn dagegen die Zeichnungsebene so zur Visirebene geneigt
wird, dass die Durchschnittslinie beider Ebenen parallel zu den Längs¬
streifen liegt, dann ist die Täuschung (scheinbare Convergenz der
Längsstreifen) vorhanden, und die Täuschung nimmt mit der Neigung
der Ebene zu (Hering)1). In diesem Falle hat der Beobachter
seine Augen nicht mehr über oder unter den Längsstreifen, es ist
also nicht mehr möglich, die Figur so aufzufassen, als stelle sie
von oben oder unten gesehene Prismen dar, sondern nach der Art
und Weise, wie die Figur gesehen wird (Lage der Visirebene), muss
sie Prismen darstellen, welche verschiedene Lagen um eine zu den
Längsstreifen senkrechte Achse haben. Denn in Wirklichkeit hat
der Beobachter die Richtung der Achse ab (Fig. 8) vor sich, und
er wird natürlich die Figur in einer senkrecht zur Grundlinie
liegenden Richtung durchlaufen. Da diese Richtung senkrecht zu
den Längsstreifen liegt, so wird wie in dem Versuche von Helmholtz
die Täuschung begünstigt.
Projection auf die zweideutigen Flächen der Zöllner-
schen Figur. Das obere Ende jedes Längsstreifens tritt, wie schon
gesagt, entweder hervor oder zurück, je nachdem man den Längs¬
streifen mit dem einen oder dem andern der benachbarten Längs¬
streifen combinirt. Es ist eine physische Unmöglichkeit die beiden
Lagen zusammen zu sehen, in Wirklichkeit führt jeder Längsstreifen
eine entsprechende Drehung aus, wenn man von einer Auffassung
1) a. a. O. S. 12.
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