Volltext: Untersuchungen über die Grundlagen der Mathematik, Fortsetzung zu Band X, S. 202 (11)

258 Gotti. Friedr. Lipps. 
dieses Bereiches Zahlen überhaupt existiren und welchen Gesetzen 
sie gehorchen1). 
Würde man also bloß in den Objpcten des Denkens die Quelle 
der logischen Ordnung suchen und würde demzufolge bloß eine 
empirische Kenntniss der logischen Ordnung erworben, so könnte, 
wenn anders Inconsequenzen vermieden werden sollen, auch die 
Zahl und mit ihr die Wissenschaft von der Zahl nur auf die Er¬ 
fahrung sich gründen. 
Eine solche Begründungsweise würde, wie nebenbei bemerkt 
werden mag, ein interessantes Seitenstück zu der analogen Begrün¬ 
dungsweise der Geometrie bilden, so dass keineswegs ohne weiteres, 
wie es vielfach geschieht, die Geometrie als »ErfahrungsWissenschaft« 
in einen Gegensatz zu der »reinen Mathematik« der Zahl gesetzt 
werden darf. Es kann jedoch erst die Untersuchung der anschau¬ 
lichen Ordnung entscheiden, ob die Auffassung der Geometrie als 
einer Erfahrungswissenschaft in ähnlicher Weise aus einer Be¬ 
schränkung auf die empirischen Elemente der anschaulichen Ord¬ 
nung folgt, wie dies soeben betreffs der arithmetischen Disciplinen 
und der logischen Ordnung sich ergab. Auch liegt die Hervorhebung 
einer derartigen Parallele zwischen den geometrischen und arith¬ 
metischen Disciplinen nicht im Plane der gegenwärtigen Unter¬ 
suchung, in deren Interesse hier bloß eine Charakterisirung des in 
der logischen Ordnung gewonnenen Ausgangspunktes für die Unter¬ 
suchung des Zahlbegriffs gegeben werden soll. 
§ 3. 
Zu diesem Zweck wurde hervorgehoben, dass man geneigt ist, 
zunächst in der Beschaffenheit der Denkqbjecte die eigentliche 
Quelle der logischen Ordnung zu suchen. Diese Neigung ist darin 
begründet, dass es ein Denken ohne Objecte und dementsprechend 
ein logisches Ordnen ohne ein im Gegebenen wurzelndes, von der 
1) Es läge dann der Fall vor, dass nicht bloß die indirecten Operationen 
der Subtraction und Division, sondern auch die directen Operationen der Addition 
und Multiplication bloß bedingter Weise ausführbar wären, nämlich nur dann, 
wenn durch die Ergebnisse der Operationen Glieder des abgegrenzten Zahlen¬ 
bereichs dargestellt würden.
	        
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