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Gotti. Friedrich Lippg.
Formen. Eben deswegen ist es auch möglich, die Zahlenreihe als
gegeben hinzunehmen, ohne sich um ihren Ursprung zu kümmern.
Alsdann kann aber nur die praktische Bedeutung der Zahlenreihe
eingesehen werden, die es ermöglicht, ein System gleicher Objecte
zu erfassen und zu ordnen und dabei die Glieder der Zahlenreihe
als Antworten auf die Frage: »wie viel« oder: »der wie vielte« zu
verwenden.
Die Möglichkeit, die Frage nach der Herkunft der Zahlenreihe
unbeantwortet zu lassen, entbindet jedoch nicht der Verpflichtung,
diese Frage zu beantworten, wenn man die logische Natur der
Zahlenreihe erkennen will. Da sich nun die Zahlenreihe als das
objective Bild der Reihenform des Denkens darstellt, so erschöpft
sich ihre Bedeutung darin, dass man von einem Anfangsgliede
»Eins« zu einem folgenden Gliede »Zwei« und von diesem zu
einem weiteren Gliede »Drei« u. s. w. übergehen kann, ohne an
ein letztes Glied zu gelangen. Die Zahlen: Eins, Zwei, Drei u. s. w.
sind darum zunächst weder Anzahlen noch Ordnungszahlen, sondern
nichts weiter als Glieder der Zahlenreihe, die mit den Merk¬
malen der Reihenform behaftet sind.
Daraus folgt, dass die Zahlen lediglich als Glieder der Zahlen¬
reihe der Untersuchung zu Grunde gelegt werden können, und dass
hierbei nur die Eigenschaften, -welche die Reihenform des Denkens
auszeichnen und in den Axiomen der Normalreihe (§ 5) ihren Aus¬
druck bereits gefunden haben, von maßgebendem Einfluss zu sein
vermögen. Bezeichnet man nun die Thätigkeit des Denkens, durch
welche die Zahlenreihe zum Gegenstand wissenschaftlicher Unter¬
suchung wird, als Zahlenoperation, so sind demgemäß auf
Grund der früher entwickelten Axiome die Operationsarten
und Operationsgesetze zu bestimmen, wenn zuvor festgestellt
ist, wie überhaupt eine Bethätigung des Denkens an den Zahlen
oder ein Operiren mit den Zahlen möglich ist.
Da die Zahlenreihe das im Bewusstsein objectivirte, gleichsam
erstarrte Bild des in lebendigem Flusse von einem Apperceptions-
akt zum anderen fortschreitenden Denkens ist, so kann das Denken
an der Zahlenreihe auch nur im der Form sich bethätigen, welche
in dieser Reihe ihre Darstellung finden soll: man kann nur von
einem Gliede der Reihe zu einem anderen übergehen und dabei