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Gotti. Friedr. Lipps.
Es ergibt sich aber auch zugleich, dass die Bedeutung und das
Wesen der Normalreihe lediglich auf dem Denkprocess beruht, der
auf diese Weise eine objective Darstellung findet. Daraus folgt,
dass die wesentlichen Eigenschaften der Normalreihe durch die
Natur des Degkens bedingt sind, und dass die Normalreihe alle
Eigenschaften besitzen muss, welche die Reihenform des Denkens
als Gegenstand der Reflexion auszeichnen. Man muss daher zunächst
jene Eigenschaften angeben, um so eine Kenntniss der Forderungen
oder Axiome zu gewinnen, die von der Normalreihe erfüllt werden
müssen, falls sie ein vollkommenes Ebenbild der Reihenform -des
Denkens darstellen soll. Dann erst kann es entschieden werden,
ob und in welcher Weise die Normalreihe auf Grund des Vor¬
handenseins von Bewusstseinsinhalten im Bewusstsein in der erfor¬
derlichen Ausgestaltung thatsächlich erzeugt und festgehalten
werden kann.
§ 6-
Die Eigenschaften der Normalreihe beruhen nun einegjheils
darauf, dass es überhaupt eine Form des Denkens ist, die ihre
objective Darstellung finden soll, andejntheils darauf, dass es ins¬
besondere um das reihenförmig fortschreitende Denken sich handelt.
Weil die Normalreihe in einer Denkform ihre Quelle hat, so
ist sie kein Phantasiegebilde, das einer Laune oder einem zufällig
vorhandenen praktischen Bedürfnisse seine Entstehung verdankt.
Sie ist vielmehr in der Natur des Denkens begründet und muss
sich folglich in jedgm Bewusstsein entwickeln, sobald die Denkform
zum Gegenstände der Reflexion gemacht wird. Sie trägt daher
den Charakter der NothWendigkeit und allgemeinen Gültig¬
keit. Da überdies jene Denkform nicht als eine Specialisirung
allgemeinerer Formen sich ergab, sondern in ihr ein elementares
und fundamentales Princip des logischen OrdnensJ) erkannt wurde,
so kann auch die Normalreihe nicht als eine Specialisirung all¬
gemeinerer Reihen, sondern nur als Objectivirung der Reihenbildung
überhaupt gewonnen werden. Sie ist daher einzig in ihrer
1) Vergl. die vorhergehende Untersuchung: »Die logische Ordnung und
die Zahl« § 5.