Volltext: Studien zur Blinden-Psychologie (11)

Studien zur Biinden-Psychologie. 
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erfolgt auch hier eine Bewegung des Gegenstandes, welche die ein¬ 
zelnen Theile des letzteren successive mit der Stelle des deutlichsten 
Tastens in Berührung bringt. Der Gegenstand wird in den Händen 
gedreht, wozu eine stellenweise Lösung des Handschlusses erforder¬ 
lich ist. Diese Bewegungen sind nicht continuirlich, sondern sie 
werden häufig unterbrochen, und es erfolgt ein stärkeres Andrücken 
des Gegenstandes. Dabei entspringt es sicherlich nicht bloß aus 
mechanischen Bedingungen, dass die Kanten der Objecte möglichst 
mit jenen Hautstellen Zusammentreffen, die den Gelenken ent¬ 
sprechen. Diesen kommt ein etwas feinerer Raumsinn und eine 
geringere Normalintensität zu als den umgebenden Hautpartien. 
Um diese Berührung zu ermöglichen, werden selbst corrigirende 
Handbewegungen unternommen. 
Die Vorstellungsbildung bei dieser Tastart erfolgt nicht unter 
so einfachen Bedingungen, wie in den früher erwähnten Fällen. 
Hier sind nicht bloß äußere, sondern auch innere Tastempfindungen 
maßgebend, die sich aus den Componenten der Kraft- und Be¬ 
wegungsempfindungen zusammensetzen. Um das Umschließen des 
Objectes zu ermöglichen, muss die Hand ihre Ruhelage verlassen, 
alle Gelenke vollziehen eine Adduction, welche ihr Ziel erreicht hat 
bei möglichst allseitiger Berührung des Objectes. In diesem Stadium 
sind die Bewegungsempfindungen von vornehmlicher Bedeutung. 
Hat die Hand die entsprechende Stellung erreicht, so erfolgt die 
Perception derselben durch den Complex von Empfindungen, welche 
Wundt als Lageempfindungen bezeichnet1). Nunmehr wird auch 
der Raumsinn der Haut in Anspruch genommen. Hierzu ist ein 
stärkeres Andrücken der Handfläche an das zur Auffassung ge¬ 
langende Object nothwendig, die Muskeln und Sehnen werden ge¬ 
spannt und so entstehen intensive Kraftempfindungen, welche zu 
den Lageempfindungen in innige Beziehung treten. Auf einer Ver¬ 
wechslung der Kraft- und Bewegungsempfindungen beruht eine 
eigenthümliche Täuschung bezüglich der Größe der betasteten 
Objecte, welche bei Ausschluss der optischen Contrôle auch an 
Sehenden zu beobachten ist. Man gebe der Versuchsperson zuerst 
einen Holz-, dann einen gleichgroßen Papierwürfel (aus Carton) in 
1) Wundt, Physiol. Psychologie I (4. Aufl.) S. 420.
	        
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