Volltext: Ueber den Einfluss der Gesichtsassociationen auf die Raumwahrnehmungen der Haut (11)

Ueber den Einfluss der Gesichtsassociationen etc. 
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die Selbstbeobachtung ohne weiteres die wichtigste Rolle, welche 
den Gesichtsassociationen bei der Wahrnehmung der Hautempfin¬ 
dungen zufällt, erkennen lassen müsse. Ein Mensch mit normalem 
Gesichtssinn wird bemerken, dass er, wenn die Localisationsfähig- 
keit für eine Körperstelle bestimmt werden soll, imBewusstsein 
eine Art Karte dieser Stelle, zum wenigsten eine unbestimmte 
Reproduction der Größe und Gestalt früherer Gesichtseindrücke 
besitzt und dass er bei der Localisation der von dem Ex¬ 
perimentator berührten Punkte bis zu einem gewissen 
Grade von dieser Karte Gebrauch macht. Bei Personen, 
welche diese Fähigkeit in geringem Maße besitzen, wird dieses Er¬ 
innerungsbild weniger lebhaft sein, aber bis zu einem gewissen 
Grade wird der Einfluss desselben ohne Zweifel auch hier wirk¬ 
sam sein '). 
Aber die Association zwischen Gesichtseindrücken und tactilen 
Reizen ist nicht überall eine gleichförmige, sondern gewisse Haut- 
1) Anmerkung des Herausgebers. Ich darf wohl darauf hinweisen, 
dass die oben von derVerfasserin ausgesprochene Bemerkung, in der ganzen Literatur 
über den Tastsinn habe die Association der Tasteindrücke mit Gesichtsvorstellungen 
keine andere als höchstens eine negative Beachtung erfahren, in dieser Ausdehnung 
nicht ganz zutrifft. In der ersten Abhandlung meiner »Beiträge zur Theorie der 
Sinneswahrnehmung« (1862, S. 60) habe ich meine Beobachtungen über diesen 
Gegenstand in folgende Sätze zusammengefasst: »Da die Erfahrung uns von 
frühe an zeigt, dass jede Hautstelle ihr besonderes Quale der Empfindung besitzt, 
so muss, sobald dieses Quale als theilweiser Inhalt einer Wahrnehmung auftritt, 
zugleich die Vorstellung der ihm entsprechenden Stelle entstehen. Diese Vor¬ 
stellung liefert bei weitem in den meisten Fällen der Gesichtssinn, dessen 
örtliche Wahrnehmungen denen des Tastsinns vorangehen: eine Ausnahme davon 
macht nur der Blindgeborene. Auf diese Weise verknüpfen sich die Vorstellungen 
der einzelnen Theile unserer Körperoberfläche auf das innigste mit den durch sie 
veranlassten Empfindungsqualitäten.« Ebenso sind in meinen »Vorlesungen über 
die Menschen- und Thierseele« (2. Aufl. S. 169 ff.) diese regelmäßigen Associationen 
zwischen Gesichtsvorstellungen und Tasteindrücken beim Sehenden hervorgehoben 
worden. In der erstgenannten Abhandlung sind auch bereits Versuche mitgetheilt, 
die ich nach der Aequivalenzmethode über das Verhältniss zwischen Tastmaß 
und Augenmaß ausgeführt habe (S. 34 ff.), und aus denen sich unter andern 
ergibt, dass eine durch zwei Tasteindrücke abgegrenzte Körperstelle im Gesichts¬ 
bild regelmäßig verkleinert vorgestellt wird, ein Resultat, welches neuerlich 
auch wieder J. Jastrow in den von der Verfasserin unten erwähnten Versuchen 
bestätigt fand. Eine Erörterung meiner (zuerst 1858 veröffentlichten) Versuche 
gibt bereits Fechner im II. Band der Psychophysik (S. 316 ff.). W. W.
	        
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