Ueber den Einfluss der Gesichtsassociationen etc.
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Wahrnehmung in auffallendem Contraste. Das bisher Gefundene
lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: 1) Die Genauigkeit der
Localisation tactiler Eindrücke, welche durch die Auffassung der
Entfernung zweier punctueller Reize gemessen wird, variirt an den
verschiedenen Hautstellen. 2) Dieselbe variirt hei verschiedenen
Individuen. 3) Sie ist hei Blinden größer als bei Sehenden. 4) Sie
ist bei Kindern größer als hei Erwachsenen.
Zur Erklärung dieser Erscheinungen sind nur zwei Principien
aufgestellt worden. Man hat erstens angenommen, dass die Schärfe
der örtlichen Unterscheidung mit der Vertheilung der Nervenendi¬
gungen Zusammenhänge, und dass dieselbe sodann von dem Grade
der Uebung abhängig sei, den man sowohl mit Bezug auf die Be¬
rührungsempfindungen im allgemeinen als auch mit Bezug auf die
Empfindungen an der gerade untersuchten Stelle im besonderen
erworben habe. Ueber die natürliche Beschaffenheit und die An¬
ordnung des anatomischen Substrates sowie über die genauere Func¬
tion der Uebung sind verschiedene Ansichten geäußert worden, aber
man hat es nicht für nöthig befunden, neben dem Momente der
Uebung einen andern psychologischen Factor anzunehmen als eine
gewisse Art von Localzeichen, welche, mögen dieselben nun quali¬
tativ oder ursprünglich räumlich verschieden sein, im Bewusstsein
die Vertheilung der Nervenendigungen vertreten. Das Vierordt-
sche Gesetz, nach welchem die Localisation an den beweglicheren
Körperstellen eine größere Schärfe besitzt, muss, wenn es als Er-
klärungsprincip verwandt werden soll, nach Funke’s1) Vorschlag
als eine Wirkung, der Uebung aufgefasst werden. Andererseits
müssen jedoch die Druckpunkte, obwohl Goldscheider2) irgend
welchen Zusammenhang seiner Druckpunkte mit den Localzeichen
oder den Empfindungskreisen ausdrücklich leugnet, um für das
Raumbewusstsein von irgend welcher Bedeutung zu sein, locale
Färbung tragen. Thatsächlich differiren sie von den Empfindungs¬
punkten der Czermak’sehen Theorie nur darin, dass dieselben
einen empirischen Werth beanspruchen, während Czermak’s Punkte
nur hypothetischer Natur sind.
1) Funke, Hermann’s Handbuch III, 2. S. 384.
2) Goldscheider, Archiv für Physiologie 1885. S. 95—96.