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W. Wundt.
eine größere Zahl von Unterscheidungsacten als von Assoeiationsacten
vollziehen können. Mit demselben liechte werde ich behaupten kön¬
nen, dass eine Unterscheidung zwischen zwei Eindrücken sich schnel¬
ler vollzieht als eine solche zwischen vier oder mehr Eindrücken,
u. dergl. Obgleich man es hier nicht, wie hei der Bewegung, mit
einem stetigen Vorgang zu thun hat, so ist doch das angewandte Mes¬
sungsverfahren ein durchaus übereinstimmendes, insofern jedesmal
die Messung der Geschwindigkeit auf zwei Zählungen beruht, auf
einer Zählung der Zeit und auf einer Zählung des in der Zeit ver¬
laufenden Vorgangs , dessen Geschwindigkeit bestimmt werden soll.
Bei der gleichförmigen Bewegung messen wir die Geschwindigkeit,
indem wir die Zahl der Baumeinheiten bestimmen, die in einer ge¬
wissen Zahl von Zeiteinheiten durchlaufen werden ; bei den psychi¬
schen Vorgängen messen wir die Geschwindigkeit, indem wir die Zahl
gleichartiger Acte bestimmen, die in einer gewissen Zahl von Zeitein¬
heiten vollzogen werden.
Die Werthe, die man auf diese Weise gewinnt, sind nun aller¬
dings durch Becbnung, wenn auch durch eine sehr einfache Bech-
nung, gefunden. Aber diese spielt hier keine andere Bolle als bei
denjenigen indirecten physikalischen Maßbestimmungen, denen man
mit vollem Becht den nämlichen Werth wie den directen Messungen
zuschreibt. Von hypothetischen Voraussetzungen, die in die Bechnung
mit aufgenommen werden, ist keine Bede. Insbesondere kommt also
auch die von Zeller erwähnte Hypothese, dass die Perception der
Sinneseindrücke mit der Erregung der centralen Sinnesflächen un¬
mittelbar gegeben sei, hier gar nicht in Betracht, da alle jene psychi¬
schen Zeitmessungen die einfache Beactionszeit in ihrer Totalität be¬
nutzen, ohne sich auf die Frage nach den zeitlichen Verhältnissen der
sie zusammensetzenden elementareren Vorgänge auch nur einzulassen.
Dass wegen dieser unvermeidlichen Benützung hypothetischer Voraus¬
setzungen die Versuche, die einfache Apperceptionszeit zu bestimmen,
höchst unsicher sind, habe ich ausdrücklich hervorgehoben *) und da¬
rum meinerseits von solchen Versuchen völlig Umgang genommen. Wie
man aber auf die oben beschriebene, denkbar einfachste Eliminations¬
methode den Ausdruck eines »complicirten Verfahrens« an wenden kann,
1) Physiol. Psychologie, II, S. 225 Anmerk. 4.