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Erfahrung zufolge jederzeit entweder fehlen oder nur ganz schwach vernommen werden können,
scheint mir ein sehr starker Grund gegen die Annahme jener engeren Form zu liegen.“
Durch die erhaltenen Resultate noch nicht ganz befriedigt, unterzog Seebeck1) die Ton¬
erregung durch sehr getrennte Eindrücke einer weiteren theoretischen Untersuchung. Ausgehend
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von der Annahme, dafs nicht nur die Gröfse y sehr klein, sondern dafs auch ^ für niedrigere
Werte von i ziemlich klein sei, formte er die in (H) entwickelten Werte für C, und Di so um, dafs
der Einflufs der Gröfse i schon für kleine i recht merklich hervortrat: mit anderen Worten, dafs
aus dieser Umformung zulässige'Schlüsse über die Stärke der ersten harmonischen ßeitöne gezogen
werden konnten. Seebeck fand, dafs bei hinreichend getrennten Eindrücken die Quadratsumme
Cl2 -j- Di2, welche nach Ohm das Mafs für die Intensität des iten Tones der Reihe (F) ist, unter der
gegebenen Voraussetzung entweder immer nahezu gleiche Werte hat, oder dafs sie mit i wächst,
oder dafs sie überhaupt nur einen höchst geringen Wert hat. Nur für den letzten Fall wäre bei
einem Zusammentreffen ganz besonderer Umstände die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dafs die
Gröfse Ci2 -)- D,2 mit wachsendem i abnehmen könnte. Angewendet auf die Ohmsche Theorie, würde
der Satz aber so lauten, dafs bei hinreichend getrennten Eindrücken entweder der erste, zweite,
dritte . . . Ton nahezu gleich stark sein müfsten; oder dafs der erste schwächer als der zweite, der
zweite schwächer als der dritte sein müfste; oder dafs diese ersten Töne überhaupt nur äufserst
schwach sein könnten. „Ganz das Gegenteil hiervon beweist die Erfahrung“, fährt Seebeck fort,
„denn nicht nur ist an den Sirenen, in Fällen, wo die vorhergehende Rechnung auf den zweiten,
und selbst auf den dritten Ton mit hinreichender Annäherung anwendbar zu sein scheint, das Ver¬
halten ganz ebenso wie bei wenig oder gar nicht getrennten Eindrücken, sondern es gilt dasselbe
auch bei den Savartschen Zahnrädern, bei den Klirrtönen, beim Trevelyan-Instrument u. dergl., wo
höchst wahrscheinlich die Eindrücke noch getrennter sind. In allen diesen Fällen ist von allen
ßeobachtern nur der „eine“ Ton gehört worden, welcher der Anzahl der Schläge entspricht,
und von den Beitönen, welche nach der engeren Definition hier stets in beträchtlicher Stärke hätten
vorhanden sein müssen, kann nur zuweilen eine Spur bemerkt werden. Auf diese Weise steht der
engeren Definition des Tones eine gröfse Anzahl von Erfahrungen entgegen.“
Zum Schlüsse kommt Seebeck noch einmal auf die Ohmsche Hypothese zu sprechen, wo¬
nach das Ohr die Beitöne nur überhöre und zum Grundtone ziehe. Diese Annahme würde jetzt so
auszudrücken sein, dafs Töne, wenn auch in beträchtlicher Stärke vorhanden, stets als solche ganz
oder fast ganz unhörbar würden, sobald ein Ton ihrer harmonischen Unterreihe hinzuträte; dafs sie
aber zur Verstärkung dieses Untertones beitrügen. Abgesehen davon, dafs diese Annahme der Er¬
fahrung zu widersprechen scheine, würde jetzt zwischen dem Seebeckschen und dem Ohmschen Er¬
klärungsversuche nur der Unterschied bestehen, dafs das Verschwinden der höheren Töne als solche
und ihr Anteil an der Erzeugung des Grundtones nach des ersteren Ansicht an' gewisse, wenn auch
unvollständig bekannte Bedingungen geknüpft sei, während es nach des letzteren Meinung unbedingt
stattfinden müsse. Dieses würde schliefslich darauf hinauslaufen, dafs die weitere Definition des Tones
noch zu eng sei. „So würde man also durch jene Hypothese, mit der Absicht, die Definition des
Tones zu beschränken, vielmehr zu einer noch gröfseren, und gevvifs zu grofsen Erweiterung der¬
selben gelangt sein.“
*) Pogg. Anu. LXIII, p. 375—380.