den Kopf etwas mehr hin und her als zum Zwecke des einfachen
Vorwärtskommens nötig wäre.
Wir bezeichnen derartige Bewegungen als „anmutig“. Auch
das Anmutige gehört zu den ästhetischen Kategorien , die meines
Erachtens nur aus der Zweiheit der Vorstellungsreihen erklärt
werden können. Und zwar besteht die zweite von der Natur un¬
abhängige Reihe dabei wie ich glaube aus Erinnerungsvorstellungen
tanzartiger Bewegungen. Es ist gewiss eine falsche Meinung,
wenn man annimmt, diejenigen Bewegungen seien die ästhetisch
schönsten, die mit dem denkbar geringsten Kraftaufwand das
denkbar Grösste leisteten. Denn dann müsste der Soldat ? der
Griffe macht und marschiert, die ästhetisch anmutigste Persönlich¬
keit sein. Die Form, die sich aus dem Zweck, dem praktisch
Notwendigen ergiebt, ist darum noch durchaus nicht die ästhetisch
schönste. Das haben wir schon bei der angewandten Kunst ge¬
sehen, das gilt auch von der Bewegung des menschlichen Körpers.
Ein gewisses Superfluum, etwas Freies und Spielendes gehört auch
hier zur Schönheit dazu. Und wir haben uns gewöhnt, dies
Schöne als „anmutig“ zu bezeichnen. Es giebt zwar auch ein
Anmutiges des Ausdrucks — das vielleicht auf einer unwillkür¬
lichen Vergleichung mit mimischen oder malerischen Reminiszenzen
beruht —, aber noch häufiger brauchen wir das Wort mit Bezug
auf die Bewegung. Beim Anblick einer anmutigen Frau haben
wir das Gefühl: Sie bewegt sich im Rhythmus und bewegt sich
doch wieder nicht im Rhythmus. Sie tanzt und tanzt doch wieder
nicht, ihre Bewegungen sind zweckmässig und gehen doch wieder
ein wenig über das Zweckmässige hinaus. Und diese doppelte
Vorstellungsreihe, dieses Hinundherpendeln des Bewusstseins ge¬
währt uns Genuss.
Fassen wir alle bisher besprochenen Fälle zusammen, so
können wir den im vorigen Kapitel gefundenen Begriff des Natur¬
schönen noch etwas genauer formulieren. Naturschön im ästhe¬
tischen Sinne ist allies, was Formen hat, die uns zu einer Zwei¬
heit von Vorstellungsreihen anregen. Und zwar muss die eine
der Vorstellungsreihen nach dem Bisherigen der Natur, die andere
irgend einer Kunst, einerlei welcher, angehören. So wie das
Kunstschöne das von Menschenhand geschaffene ist, was uns die
Natur ins Bewusstsein bringt und uns dadurch zu einer doppelten
Vorstellungsreihe anregt, so ist das Naturschöne das was ohne
Beihilfe des Menschen Formen hat, die uns zu einer Vorstellung