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seinen kräftigen Schenkeln, seinem Geist, seinem Mut. Das Weib
ist eitel auf seine vollen Formen, seinen leichten schwebenden
Gang, seine Sanftmut und Hilfsbedürftigkeit. Es ist bekannt, wie
sich Tracht und Mode in den Dienst der körperlichen Eitelkeit
stellen. Die Mode hat immer den Zweck, die sekundären sexuellen
Merkmale, die in der betreffenden Zeit als besonders wichtig und
schön empfunden werden, zu steigern, dem Beschauer etwas vor¬
zutäuschen, was nicht da ist. Die Brust muss beim Weibe voller,
die Taille schmaler, der Fuss kleiner erscheinen als sie wirklich sind.
Die Mode verhüllt einerseits das, was die Scham zu verhüllen ge¬
bietet, hebt es aber andererseits durch Steigerung der Formen um
so deutlicher hervor. Der Schurz der Primitiven, der mehr zeigt
als verhüllt, der Frack mit seinem unanständigen Ausschnitt, die
Dekollettierung der Frauen, all die bekannten künstlichen Nach¬
hilfen aus Watte u. s. w. gehören in dieses Kapitel.
Man hat darauf hingewiesen, dass das Liebesspiel, wenn es
auch theoretisch ganz gut von der ernsthaften Bewerbung zu unter¬
scheiden ist, doch praktisch aufs engste mit dieser Zusammen¬
hänge, ja häufig geradezu in sie übergehe. Danach wäre das
Liebesspiel eine Art Vorbereitung des Liebesgenusses, eine Ein¬
übung der Illusion, die ja für diesen so wichtig ist. Und damit
erhielte es eine grosse Wichtigkeit für die Erhaltung der Gattung.
Wir wollen diese Deutung nicht anfechten. Denn die Er¬
fahrung lehrt, dass man mit dem Feuer nicht spielen soll und
dass die Grenze zwischen Liebesspiel und wirklicher Verliebtheit
nicht scharf zu ziehen ist. Wie oft geht ein Verhältnis, das mit
blossem Kokettieren beginnt, in ernsthafte Bewerbung über! Und
wie viele unglückliche Lieben entstehen daraus, dass der eine Teil
für Ernst hält, was der andere nur als Spiel betreibt ! Es ist sogar
sehr wahrscheinlich, dass dieses Spiel wie alle anderen indirekt
einen biologischen Wert, einen Nutzen für die Gattung hat, und
worauf anders könnte der beruhen als auf der Steigerung der Fort¬
pflanzungsfähigkeit ? Wenn man bedenkt, dass die meisten Liebes¬
verhältnisse sich allmählich entwickeln, dass besonders der natür¬
liche Widerstand des Weibes langsam überwunden werden muss,
so versteht man wohl, dass ein Liebesspiel als Vorbereitung der
Liebe nötig ist. Und die Sprödigkeit des Weibes könnte ganz
gut den Zweck haben, den Mann zu reizen und dadurch den bio¬
logischen Zweck der Liebe zu fördern.
Jedenfalls ist aber dieser Zweck dem Spielenden nicht bewusst,