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sexuellen Trieb zurückführen möchten. Natürlich ist das falsch. Die
Kunst umfasst vielmehr alle Gefühle, die im menschlichen Leben
eine Rolle spielen. Und zu diesen gehört auch die Liebe. Über
ihre Wichtigkeit für den Menschen ist es müssig etwas zu sagen.
Dieselbe Bedeutung, die sie im menschlichen Leben hat, kommt
ihr auch in der Kunst zu, und dieselbe Wichtigkeit, die sie in
der Kunst hat, hat sie auch im Spiel.
Sexuelle Züge mischen sich schon in die Kampf- und Ge¬
schicklichkeitsspiele ein. Das ist gewiss entwickelungsgeschichtlich
zu erklären. Der vornehmste Preis, um den der Urmensch kämpfte,
war das Weib. Der Kampf um die Frau spielt in den Sagen aller
Völker eine Rolle. Das Weib ist die Zuschauerin und Preis¬
richterin in den Kampfspielen der Männer. Die Lust am Kampf¬
spiel ist am grössten, wenn man sich von schönen Augen
beobachtet weiss. Zwischen Kampf und Liebe besteht eine ge¬
heimnisvolle biologische Verbindung, die wie ich glaube nur so
erklärt werden kann. Die meisten Zweikämpfe werden um Frauen
ausgefochten. In der Zeit des Eintritts der Pubertät ist der Kampf¬
instinkt am stärksten.
Eigentliche Liebesspiele kommen nur bei geschlechtsreifen Per¬
sonen vor. Denn nur bei ihnen ist der Geschlechtstrieb so stark,
dass er, wenn er keine Gelegenheit zur wirklichen Bethätigung
findet, sich im Spiel eine fingierte Gelegenheit schafft. Man muss
die Liebesspiele streng von den ernsten Bewerbungserscheinungen
unterscheiden. Jene bleiben immer bei der Illusion stehen, diese
sollen stets zum Erfolge führen. Ein Mann, der im Ernst um ein
Weib wirbt oder ein Weib, das einen Mann zu verführen sucht,
spielt nicht. Ein Mann dagegen, der ohne böse Absichten der Frau
eines anderen den Hof macht, oder eine Frau, die mit einem fremden
Manne, der für sie nicht in Betracht kommt, kokettiert, spielt ein
Liebesspiel. Der Reiz eines solchen besteht lediglich in der Illusion.
Beide Teile stellen sich vor ineinander verliebt zu sein, sind es aber
in Wirklichkeit nicht. Und jeder von ihnen regt dadurch dass er
so thut, als ob er liebte, den anderen zu derselben Gefühlsfiktion an.
Seine Formen entlehnt das Liebesspiel der Bewerbungsthätig-
keit, wie sie sich seit Urzeiten entwickelt hat. Ihr wesentliches
Kennzeichen ist das der Eitelkeit und Selbstdarstellung. Diese be¬
steht in einem deutlicheren Hervorheben der für das betreffende
Geschlecht charakteristischen körperlichen und geistigen Vorzüge.
Der Mann kokettiert mit seiner hohen Stirn, seinen breiten Schultern,