beruhen kann. Ohne Zweifel sind die sexuellen Gefühle an sich
Lustgefühle. Aber sie werden von denen, die ein Ausleben des
Individuums in sexueller Beziehung missbilligen, als Ärgernis, d. h.
also mit Unlust empfunden. Wenn nun trotzdem auch diese Kunst
ästhetisch genossen werden kann, so geht daraus doch hervor,
dass weder jener inhaltliche Lust- noch dieser Unlustcharakter für
den ästhetischen Genuss ausschlaggebend ist. Allerdings wird man
nicht leugnen können, dass sich das sinnliche Gefühl als Lustgefühl
bei vielen Menschen ziemlich stark mit einmischt. Ein Italiener
sieht in einem Madonnenbilde gewiss auch die schöne Frau und
eine Italienerin in einem heiligen Sebastian auch den schönen Mann.
Und die bekannten antiken Symplegmen, die Götterliebschaften
Giulio Romanos, die Io des Correggio, die Venusbilder Tizians sind
gewiss von denen, für die sie bestimmt waren, auch mit sinn¬
lichen Gefühlen angeschaut worden. Aber es ist nicht zu leugnen
dass man sie auch anders anschauen kann und dass gerade der
feinere Kunstkenner sie anders anschaut. Dieser wird nicht
zugeben, dass ihr Wert durch die Möglichkeit, rein sinnliche
Lustgefühle an ihre Anschauung zu knüpfen, irgendwie gesteigert
werde. Und ebensowenig wird er, falls er sonst in moralischer
Beziehung strenge Grundsätze hat, sich durch ihre sinnliche Seite
den ästhetischen Genuss daran verkümmern lassen.
Selbstverständlich ist jede Kunst, die das Nackte mit der Ab¬
sicht darstellt sexuell zu reizen, zu missbilligen. Nicht weil die
sexuellen Gefühle zu missbilligen wären — denn sie sind einmal
da und müssen da sein, wenn die Gattung erhalten bleiben soll —
sondern weil jede Tendenz in der Kunst, die sich dem Gefühl
stark auf drängt, unkünstlerisch ist. Wir wollen aus denselben
Gründen keine bewusst sexuelle Kunst, aus denen wir keine ten¬
denziös religiöse Kunst wollen. Das Verwerfliche dabei ist uns
die Tendenz als solche, nicht ihr Inhalt. Aber eine Kunst, die
das Nackte darstellt, weil es ihr Gelegenheit giebt, in der Dar¬
stellung des Fleisches zu schwelgen, weil sie den Menschen für
die Krone der Schöpfung hält und den zweckmässigen anatomischen
Bau seines Körpers bewundert, die ist in ihrem Rechte, die thut,
was sie darf und soll.
Wenn wir danach die moderne bildende Kunst mustern, so
können wir durchaus nicht sagen, dass sie das Nackte häufiger
oder rücksichtsloser darstellte als die klassische. Insbesondere dem
modernen Naturalismus wirft man dies oft sehr mit Unrecht vor.
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II