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der Bewegung willen da. Der Briefträger, der seine Briefe an
ihren bestimmten Ort bringt, leistet eine Arbeit, vollzieht eine
Ernsthandlung, der Spaziergänger, der im Walde einherschlendert
und dabei wohl auch in eine Kneipe einfällt, treibt ein Bewegungs¬
spiel. Für jenen ist der praktische Zweck, für diesen das Gehen als
solches die Hauptsache. Nur das Spiel gewährt aber reinen Genuss.
Übrigens brauche ich nicht zu bemerken, dass es viele Be¬
wegungsspiele giebt, die gleichzeitig den Charakter von Sinnes- und
Geschicklichkeitsspielen haben. Die Grenzen sind auch hier flüssig.
Auch die Bewegungsspiele der Kinder, das Hüpfen, Rennen,
Springen, Klettern, Werfen, Ballspielen, Schaukeln u. s. w. haben
häufig einen fingierten Ernstzweck. Und es soll nicht geleugnet wer¬
den, dass die Erreichung desselben eine gewisse Lust gewährt. Aber
sie ist sekundärer Art. Ob man beim Haschen den Gegner fängt
oder beim Verstecken ihn findet, ob man beim Abschlagen, beim
Kämmerchenvermieten u. s. w. richtig herauskommt, das ist für
den Genuss nicht entscheidend. Auch die Verlierenden haben ihre
Freude am Spiel. Die Aufgabe, die die Spieler sich stellen, hat
nur den Zweck, das Spiel lebhafter zu machen.
Bewegungs- und Geschicklichkeitsspiele, zu denen komplizierte
Apparate nötig sind, und die den ganzen Menschen in Anspruch
nehmen, bezeichnen wir als Sport. Sie entfernen sich vom Spiel
und von der Kunst um so mehr, je mehr sie sich in ihrem Be¬
triebe der ernsthaften Arbeit nähern. Auch bei den Bewegungs¬
spielen findet oft eine gewisse Illusion statt, besonders da wo
das Spiel auf einer Gegnerschaft zweier Personen oder Parteien
beruht. Aber die Illusion ist für sie nicht notwendige Bedingung.
Auch von den Bewegungsspielen ist zur Kunst nur ein Schritt.
Denn ihre höchste Form geht unmittelbar in den Tanz über.
Kinder haben eine Menge rhythmischer Bewegungsspiele, die den
Tänzen sehr nahe stehen, ohne doch eigentliche Tänze zu sein. Wenn
ein Kind im rhythmischen Zweischritt oder Dreischritt über die
Strasse tänzelt oder mit beiden Füssen abwechselnd über die Gosse
herüber auf das Trottoir hüpft (in Tübingen nennt man das „Stäffele
aufi und abi“), so kann man noch nicht von Kunst sprechen.
Dreht es sich aber mit anderen in rhythmischer Bewegung im
Kreise oder bewegt es sich gar nach den Klängen rhythmischer
Musik, so führt es einen Tanz aus.
Fassen wir nun zunächst die bisher betrachteten Spiele ins
Auge, so finden wir bei ihnen noch einige bisher nicht besprochene