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leiter ziemlich tief. Wir haben alle das Gefühl, dass sie keine
höhere Kunst sind.
Schon dies weist mit Bestimmtheit darauf hin, dass der Inhalt
als solcher nicht das Ausschlaggebende in der dramatischen Poesie
sein kann. Wenn ein Inhalt, der zweifellos im höchsten Grade
lusterregend ist, der uns unter Umständen in eine geradezu über¬
wältigende explosive Lust versetzen kann, nicht im stände ist, eine
Posse zu einem höheren Kunstwerk zu machen, wenn dagegen
ein Lustspiel wie Minna von Barnhelm, in dem es allerdings auch
nicht an drolligen Situationen fehlt, doch in erster Linie wegen
seiner feinen Charakterzeichnung und seiner wirksamen Handlung
geschätzt wird, so ist klar, dass das Komische als Inhalt nicht die
Ursache der ästhetischen Lust ist, sondern vielmehr die Glaub¬
würdigkeit und Lebens Wahrheit, mit der uns ein komischer, d. h.
an sich lusterregender Inhalt auf der Bühne vorgeführt wird. Der
komische Inhalt, der im feineren Lustspiel noch zu der Lebens¬
wahrheit hinzukommt, muss bei dem Gesamteindruck sehr wenig
ins Gewicht fallen, wenn eine Posse, in der jener überwiegt,
ästhetisch in unserer Schätzung soviel tiefer steht als ein Lustspiel,
in dem er nur eine nebensächliche Bedeutung hat.
Und wenn wir nun von hier zur Tragödie übergehen, so
liegt die Schlussfolgerung auf der Hand. Zwar giebt es eine
Menge Menschen, die lieber Lustspiele als Trauerspiele sehen, und
bei der Art, wie unsere tragische Schauspielkunst gegenwärtig im
argen liegt, kann man ihnen das auch nicht verdenken. Aber
dennoch haben die meisten ästhetisch Gebildeten einen tieferen
und echteren Genuss an der Tragödie als an der Komödie und
Posse. Jedenfalls kann man sagen, dass ceteris paribus, d. h. gleiche
Vortrefflichkeit des Spiels vorausgesetzt, jene einen tieferen und
nachhaltigeren ästhetischen Genuss gewährt als diese. Daraus
allein geht schon mit Sicherheit hervor, dass der Genuss auf dem
Inhalt als solchem nicht beruhen kann. Denn mag man auch den
Inhalt der Tragödie ethisch formulieren wie man wolle, vorwiegend
lusterregend wird man ihn niemals machen können. Höchstens
könnte man seine unlusterregende Kraft durch die besondere For¬
mulierung einigermassen abschwächen.
Es fragt sich also, durch welche Mittel der unlusterregende
Inhalt der Tragödie so • zurückgedrängt und in seiner Wirkung
abgeschwächt werden kann, dass er gegenüber der ästhetischen Lust
nicht in Betracht kommt. Und hier gehen nun die Illusions- und