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schungen nicht durch sie' beeinflussen. Sie ist, um einen treffenden
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Ausdruck Fechners zu gebrauchen, nicht eine Ästhetik von oben,
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sondern eine Ästhetik von unten.
Die Mittel ihrer Beweisführung sind verschiedener Art, ge¬
hören ganz verschiedenen Gebieten der Forschung an. Das erste,
das gewöhnlich an die Spitze gestellt wird, ist die psychologische
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Selbstbeobachtung. Die Ästhetik ist ein Teil der Psychologie.
Jede psychologische Untersuchung muss aber von der Selbst¬
beobachtung ausgehen. Denn über Gefühle können wir ursprüng¬
lich nur auf Grund unseres eigenen Seelenlebens urteilen. Ein
Gefühl hat für uns nur dadurch Realität, dass wir es fühlen. Es
kann also auch nur durch Selbstbeobachtung in seiner Eigenart
erkannt werden. Die Gefühle anderer können wir nicht fühlen,
sondern nur aus unseren eigenen erschliessen.
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Die Ästhetik ist die Wissenschaft von den ästhetischen Lust¬
gefühlen. Alle ästhetischen Gefühle sind, wie wir später sehen
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werden, Lustgefühle. Die erste Aufgabe der Ästhetik besteht also
darin, die beim Genuss eines Kunstwerks in uns entstehenden
Lustgefühle zu beschreiben resp. zu analysieren. Beschreibung und
Analyse der Gefühle ist ein und dasselbe. Sobald ein Gefühl
analysiert, d. h. in seine Bestandteile zerlegt ist, kann es nicht
weiter beschrieben werden. Ist z. B. als Bestandteil irgend eines
Gefühls die Empfindung „weiss“ nachgewiesen, so kann man diese
nicht mehr weiter beschreiben. Denn das Wort „weiss“ ist keine
Beschreibung, sondern nur ein Symbol, das den Hörer oder Leser
an ähnliche Empfindungen, die er gehabt hat, erinnert.
Die ästhetischen Lustgefühle treten in zwei Formen auf,
nämlich in der rezeptiven und in der produktiven. Die erstere
bezeichnen wir auch als Kunstgenuss, die letztere als künstlerisches
Schaffen. Da aber die meisten Menschen den Kunstgenuss nicht in
der Form des Schaffens, sondern nur in der der Rezeption kennen,
so ist es selbstverständlich, dass die Ästhetik mit der letzteren zu
beginnen hat. Würde sie den umgekehrten Weg einschlagen, so
läge die Gefahr vor, dass sie von vornherein den Boden unter
den Füssen verlöre.
Die Gefühle, die wir bei der Anschauung eines Kunstwerks
haben, sind sehr verschiedener Art. Es sind überhaupt keine ein¬
fachen Gefühle, sondern Gefühlskomplexe. Zu diesen Gefühls¬
komplexen gehören sowohl Lust- als auch Unlustgefühle. Wenn wir
z. B. eine Gruppe wie den Laokoon betrachten, so empfinden wir
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