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statt. Solange das Medium in dem Zustand der Suggestion ver¬
harrt, ist ihm das was es sich vorstellt und fühlt Wirklichkeit.
Sobald es aus ihm in den normalen Zustand zurückkehrt, ist es
für seine Vorstellung überhaupt nicht mehr vorhanden. Von be¬
wusster Selbsttäuschung ist also hier nicht die Rede. An Stelle
des während einer bestimmten Zeit vorhandenen Wechsels zwischen
Phantasievorstellung und Wirklichkeit tritt hier, ebenso wie beim
Traum, der einmalige Übergang vom einen zum anderen.
Etwas näher kommt man schon der Wahrheit, wenn man
das ästhetische Schaffen mit einer partiellen Hypnose vergleicht
oder sie als eine Art Autosuggestion auffasst. Ich habe schon
wiederholt auseinandergesetzt, dass man weder von einem Dichter
noch von einem Schauspieler annehmen kann, er fühle das, was
er darstellen wolle, in dem Augenblick der Darstellung in voller
Stärke. Wenn man also ihren Zustand mit einer Hypnose oder
Autosuggestion vergleicht, so kann man das nur in dem Sinne
meinen, dass man darunter eine zeitweise sehr starke Illu¬
sion versteht. Am stärksten wird diese Illusion nach dem früher
Gesagten (S. 106) wahrscheinlich beim Schauspieler sein. Aber auch
bei ihm ist die Suggestion keineswegs eine völlige. Man hat ja
wiederholt Urteile bedeutender Schauspieler darüber eingeholt,
ob sie während des Spiels vollkommen in ihrer Rolle aufgehen,
das, was sie zu fühlen vorgeben, wirklich fühlen, d. h. ob während
des Spiels mit ihnen eine völlige „Transfiguration“ vorgehe. Die
Antworten sind ganz verschieden ausgefallen. Die einen leugnen
die Aktualität ihrer Gefühle, die anderen behaupten sie, wieder
andere drücken sich unbestimmt aus und lassen die Möglichkeit
eines wirklichen Fühlens und doch wieder Nichtfühlens offen. Und
zwar liegt die Sache keineswegs so, dass die grossen Schauspieler
durchweg die wirkliche Transfiguration behaupten, die weniger
guten die Bewusstheit des Spiels stärker betonen. Sondern es
finden sich auf der einen wie auf der anderen Seite Schauspieler
ersten Ranges.
Die empirische Ästhetik wird daraus den Schluss ziehen, dass
das erfolgreiche Spiel einen Zwischenzustand zwischen wirklichem
Gefühl und gänzlicher Gefühllosigkeit voraussetzt, und das ist eben
der Zustand der bewussten Selbsttäuschung. Man kann deshalb
ruhig zugeben, dass ein grosser Schauspieler in der Zeit, während
deren er sich durch einen Willensakt in die Illusion versetzt, z. B.
ein König zu sein, alle Gehirnzentren, deren Wirkung in eine andere