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deshalb eine andere, weil der Mensch beim Rausch nicht Herr
über seine Vorstellungen bleibt, sondern unter dem zwingenden Ein¬
fluss einer krankhaften Erregung des Gehirns steht. Das Schönste,
was Künstler geschaffen haben, ist gewiss ohne das gefährliche
Hilfsmittel des Alkohols zu stände gekommen.
Auf Delirium und Fieberwahn einzugehen lohnt sich nicht.
Jedermann, der diese Zustände kennt, weiss, dass sie ganz anderer
Art sind als der künstlerische Genuss oder das künstlerische
Schaffen. Ausserdem sind die Gefühle, die man bei ihnen hat,
fast durchweg Unlustgefühle. Es passt also eigentlich gar nichts.
Die Halluzinationen Irrsinniger haben nur insofern mit dem
künstlerischen Schaffen eine gewisse Verwandtschaft, als auch bei
ihnen zuweilen eine sehr starke Illusion stattfindet. So sollen
z. B. Maniakalische beim Anblick von Bildern nicht selten die
Vorstellung haben, als ob die auf ihnen dargestellten Figuren sich
bewegten, aus dem Rahmen herausträten u. s. w. Aber diese Vor¬
stellung unterscheidet sich von der künstlerischen Illusion dadurch,
dass sie eine wirkliche Täuschung ist. Deshalb hat der Kranke diese
Vorstellungen auch nicht in der Gewalt. Auch bei Künstlern, be¬
sonders Dichtern kommt es zwar vor, dass die Gestalten, die in ihrer
Seele nach Verkörperung ringen, oft in beängstigenderWeise auf
sie einstürmen, sich ihnen geradezu wie lebende Wesen aufdrängen.
Aber nur der Anfänger lässt sich wie Goethes Zauberlehrling von
ihnen unterkriegen. Dem Meister ziemt das Wort: „In die Ecke
Besen, Besen, seid’s gewesen!“ Das künstlerische Schaffen über¬
legener Geister mit dem planlosen Thun jener Unglücklichen zu
vergleichen, deren zeitweise krankes oder völlig anomales Gehirn
ihrem Willen entwachsen ist und ohne die regelnde Oberaufsicht
des Bewusstseins in ihnen weiterdenkt, ist grausam gegen diese
und degradierend für jene.
Seitdem die Zustände der Hypnose und Suggestion von unseren
Medizinern eingehender erforscht werden, hat es nicht an Ver¬
suchen gefehlt, das Problem des künstlerischen Schaffens mit
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ihrer Hilfe zu lösen. Mehrere Ästhetiker haben den Prozess der
künstlerischen Zeugung als einen hypnotischen Zustand aufgefasst,
indem sie annahmen, der Künstler versetze sich beim Schaffen in
eine Art Autosuggestion.
Der Unterschied der Hypnose vom Traum ist bekanntlich der,
dass die einseitigen mit partieller Ausschaltung der Gehirnfunktionen
erfolgenden Bewusstseinszustände, die im Traume die Folge subjek-