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schiedenen Grad der Bewusstheit, und dies wird am besten durch
das Bild des Berges veranschaulicht.
Die ästhetische Anschauung gleicht nun einem Kampf um den
Gipfel des Berges, d. h. den Blickpunkt des Bewusstseins. Die Vor¬
stellungen und Gefühle, die in zwei Reihen geordnet sind, kämpfen
wie zwei Parteien um den Gipfel. Einmal ist der eine Kämpfer
oben, dann der andere. Einmal ist die eine Partei im Vorteil,
dann die andere. Aber keine kann den Gipfel dauernd halten.
Denn sobald das der Fall ist, hört das Spiel auf. Das Charakte¬
ristische ist eben der dauernde Kampf. Dieses Bild empfiehlt sich
besonders deshalb, weil das Okkupieren des Gipfels nicht rhyth¬
misch erfolgt. Während eine Vorstellung auf dem Gipfel des Berges
ist, sind die anderen vielleicht auf halber Höhe oder näher dem
Fusse, d. h. während man sich ganz auf eine Vorstellung konzen¬
triert, kann die andere doch ein wenig in das Bewusstsein hinein¬
ragen. Und gerade dieses Hineinragen ist es ja, was die emotio¬
nellen Gefühlselemente der im Blickpunkt des Bewusstseins stehenden
Gefühle mildert und dadurch das Fortbestehen des Kunstgenusses
garantiert.
Auch hier lässt sich der Ein wand, dass ein solch fruchtloser
immer wiederholter Kampf doch keinen Genuss bereiten könne,
sehr leicht mit dem Hinweis widerlegen, dass es sich ja gar nicht
um einen ernsthaften Kampf, sondern um ein Kampfspiel handelt.
Ein Spiel ist immer genussreich, mag der fingierte Zweck dabei
leicht erreichbar sein oder nicht. Denn das lusterregende dabei
ist die Spielthätigkeit als solche. Und es ist nicht abzusehen,
warum nicht auch das geistige Spiel der Kunst lusterregend sein
sollte, ebenso wie ein körperliches Bewegungsspiel ähnlicher Art
Lust gewährt.
Gegen das Bild vom Pendel hat man besonders eingewendet,
dass dieses fortwährende Hinundherschwanken des Bewusstseins
zwischen zwei einander eigentlich ausschliessenden Vorstellungs¬
reihen unmöglich lusterregend sein könne. Denn es werde dadurch
ein Gefühl des Schwankens und Schwebens, des Hinundherpendelns,
der Unklarheit, Unruhe und Qual erzeugt, wie es sich aus jedem
Hinundhergezogensein zwischen Betrachtungsweisen, die gleich¬
zeitig ihr Recht fordern und sich doch inhaltlich ausschliessen,
nach einem allgemeinen psychologischen Gesetz ergeben müsse.
Ein solches Gesetz existiert nicht. Die Analogie des körper¬
lichen Lebens weist vielmehr auf das Gegenteil. So ist z. B. der