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ringen Ausdrucksfähigkeit. Wenn er nicht geradezu mimischer
Art ist, kann er nur wenige Gefühle ausdrücken. Die An¬
schauungsillusion findet also bei ihm nur in geringem Masse ihre
Rechnung. Um so stärker wirkt er im Sinne der subjektiven
Bewegungsillusion. Die Folge davon ist die, dass er nur angenehme,
leichte und graziöse Bewegungen verwendet, dass dagegen plumpe,
hässliche und schwerfällige Bewegungen bei ihm so gut wie ganz
ausgeschlossen sind. Dadurch unterscheidet er sich wesentlich von
der Schauspielkunst, bei der ja plumpe und hässliche Bewegungen,
wTenn sie nur charakteristisch sind, sehr wohl angewendet werden
dürfen. Dadurch ist eben der Tanz eine zwar in sinnlicher
Beziehung reizende, aber im höheren ästhetischen Sinne wenig
ausgiebige, leere, sterile Kunst. Man kann ihn nicht ganz aus den
Künsten ausschliessen, da er immerhin auf Anschauungsillusion
(im Sinne der Stimmung, des Gefühls) hinarbeitet, aber man wird
ihm, da dies nur in geringem Masse der Fall ist, die letzte Stelle
unter ihnen anweisen. Künstlerisch im höheren Sinne wird er
erst durch die mimische Nebenbedeutung.
Die Musik haben wir schon als eine Kunst der Gefühls- und
Stimmungsillusion kennen gelernt. Sie ist aber auch eine Kunst
der Bewegungsillusion, was ja nicht Wunder nehmen kann, wenn
man bedenkt, dass die Bewegung ein Hauptmittel ist, dem Gefühl
und der Stimmung Ausdruck zu geben. Wenn wir hier von Be¬
wegungsillusion sprechen, so sehen wir dabei natürlich von der
Bewegung der ausführenden Musiker (deren Wahrnehmung gar
nicht nötig, ja nicht einmal wünschenswert ist) ab. Wir sehen
ferner ab von der wirklichen Bewegung der Luft, die beim Hören
der Töne an unser Trommelfell dringt. Wir denken vielmehr nur
an die Bewegungsvorstellung, die sich an die Wahrnehmung der
Musik anschliesst.
Und zwar können wir auch bei ihr von objektiver und sub¬
jektiver Bewegungsillusion reden. Die objektive Bewegungsillusion
würde darin bestehen, dass man sich beim Hören der Töne irgend
etwas Sichbewegendes vorstellt, was gar nicht da ist, die subjektive
darin, dass man sich selbst, seinen eigenen Körper in Bewegung
denkt. Ich habe schon beim Tanz darauf hingewiesen, dass das
blosse Anhören einer Tanzmelodie einen tanzlustigen Hörer zur
Ausführung unwillkürlicher Bewegungen veranlassen kann. Dies
ist nur ein besonders bekannter Fall einer ganz allgemeinen Er¬
scheinung. Ich glaube nämlich, dass jede rhythmisch stark aus-
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