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Abschnitt C. Capitel XII.
sich aufnimmt, zuerst Lust, die grösste Lockspeise des Schlechten
dann Schmerzen, des Guten Verscheucher, dann auch Zuversicht
und Furcht, zwei thörichte Rathgeber, dann schwer zu besänf¬
tigenden Zorn, dann leicht zu verführende Hoffnung, dann mit
vernunftloser sinnlicher Wahrnehmung und mit Alles versuchender
Liebe dieses vermischend, wie nothwendig war, die sterbliche
Gattung zusammensetzten.“
Hieraus in Verbindung mit Plato’s Erkenntnisslehre geht
hervor, dass er die unsterbliche Seele ausschliesslich in das
wahrheitsgemässe Erkennen, d. h. das Schauen der Platonischen
Ideen, setzte, welches seiner Natur nach gar keine individuellen
Unterschiede mehr zulässt, wenn auch diese Consequenz dem
Plato niemals klar geworden sein mag.
Aristoteles steht auf demselben Standpuncte, De an. I. 4,
40'S a, 24 ff., spricht er dem \ t Is noirrr/MC, wie er den un¬
sterblichen Theil der Seele nennt, nicht nur Liebe und Hass,
sondern auch Gedächtniss und discursives Denken (ôta oüuÜlu)
ab; anderweitig weiss man, dass der »org .Lottjci/ing (oder thätige
Verstand) das Ewige, Allgemeine, Unveränderliche und keinen
äusseren Eindrücken Zugängliche im Menschen ist; dabei ist
doch schlechterdings nicht einzusehen, wie er individuell
sein soll.
Spinoza, der doch gewiss von ganz anderen Voraussetzungen
ausgeht, kommt zu demselben Resultate : „Der menschliche Geist
kann mit dem Körper nicht absolut vernichtet werden, sondern
es bleibt etwas von ihm übrig, was ewig ist“ (Eth. Th. 5.
Satz 23). Es ist dies die in Gott nothwendig existirende Idee,
welche das Wesen des betreffenden menschlichen Körpers unter
der Form der Ewigkeit auffasst (Ebd., Bew.), d. h. mit intuitivem
Wissen, welches höher stellt, als die Erkenntniss der adäquaten
Ideen der Eigenschaften der Dinge und ganz mit unserem intui¬
tiven Wissen des Unbewussten identisch ist. (Vgl. Th. 2. Satz 40,
Anm. 2.)
Die Ewigkeit ist nichts Anderes, als das Wesen Gottes, in¬
sofern es ein nothwendiges Dasein in sich schliesst (nach Th. 1.
Def. 8), also kann das ewige Dasein des menschlichen Geistes
nicht durch die Zeit definirt oder durch Dauer erklärt werden
(Th. 5, S. 23. Bew.). — „Der Geist ist nur, so lange der Kör¬
per dauert, den Seelenbewegungen unterworfen, die zu den lei¬
denden Zuständen gehören“ (Th. 5. S. 34). „Hieraus folgt, dass